Artikel Donnerstag, 29.01.2015 |  Drucken

Die Schere geht zwischen arm und reich, nicht zwischen deutsch und nicht-deutsch - SPD-Berlin will Staatsvertrag mit Muslimen

Am 28. Januar 2015 lud die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zu
einer Pressekonferenz ein. SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh und seine
Stellvertreterin Ülker Radziwill stellten die Ergebnisse der Klausurtagung ihrer
Fraktion vor. Vom 23. bis zum 25. Januar tagten die Berliner
Sozialdemokraten in Leipzig zum Thema „Integration-Zentrales
Zukunftsthema.“ Raed Saleh scheute sich nicht, klare Worte an seine eigene
Partei zu richten. „Die SPD war auch nicht immer Vorreiter, wenn es darum
ging, mutige Wege zu gehen.“ Glücklicherweise bekleide der ehemalige
Berliner Senator Thilo Sarrazin kein Amt mehr, „dieser Herr spricht auch nicht
für die SPD und hat das noch niemals getan.“

Es müsse doch darauf hingewiesen werden: „Die Schere geht zwischen arm und reich, nicht zwischen deutsch und nicht-deutsch.“ Der Fraktionsführer riet dazu, die
„Flüchtlingspolitik ruhig und sachlich zu diskutieren, momentan erlebe ich
gerade bei der Verwaltung zu viel Hektik.“ Ausdrücklich lobte er „die
Mitarbeiter des Ausländeramts, die oft bis zur Belastungsgrenze arbeiten.“
Daher müsse dort unverzüglich mehr Personal eingesetzt werden. Aus dem
Ausländeramt soll schnellstens eine Einwanderungsbehörde werden. „Als
Kind hatte ich die Ehre, das Ausländeramt persönlich kennenlernen zu
dürfen.“ (Anm.: Raed Saleh kam 1977 in Palästina zur Welt)

Es deute sich auch an: „Die Mehrzahl der Flüchtlinge bleibt hier. Wir bewahren die
Menschen nicht für einen bestimmten Zeitraum auf.“ Für Berlin bedeutet das,
mehr Schulen, Kitas, Feuerwachen, Arbeitsplätze und Wohnungen werden
gebraucht. All das sind große Herausforderungen für politische
Verantwortliche. „Wir Sozialdemokraten haben keine Langweile. Wir haben
ein Mandat.“ Wie bereits schon in Hamburg und Bremen geschehen, soll
auch in Berlin ein Staatsvertrag mit islamischen Verbänden abgeschlossen
werden. Darin steht: „Religionen und Weltanschauungen sind eine
Bereicherung.“ Ebenfalls wird die Einrichtung eines Lehrstuhls für Islamkunde
an der hiesigen Universität gefordert. In dem Papier der Berliner SPDFraktion
heißt es weiter: „Der Islam gehört zu Deutschland und ist eine
friedliche Religion. Wir lehnen die Anwendung von Gewalt und politischen
Missbrauch im Namen jeder Religion strikt ab.“ Es verwundert Raed Saleh,
„dass das Normale jetzt erst ausgesprochen wird. Frau Merkel hat Recht mit
ihrer Aussage zum Islam. Aber in ihren eigenen Reihen zeigt sich
Widerstand. Die CDU muss in Sachen Integration Sprach fähig sein. Die
CDU hat Klärungsbedarf.“ Es ist sogar so: „Die Sprach- und
Führungslosigkeit innerhalb der CDU macht mir Sorgen. Ich hoffe, dass Frau
Merkel sich durchsetzen kann.“

Nichts spreche gegen eine „neue nationale Identität. Patriotismus ja, wenn alle hier lebenden Personen beteiligt werden. Den Patriotismus dürfen wir nicht denen überlassen, die nur spalten wollen.“ Die Grundlage jeder Gesellschaft ist Respekt, so das Fazit des Fraktionsvorsitzenden. Ülker Radziwill ging auf die Flüchtlinge ein und teilte mit: „Das Mittelmeer wird zum Grab. Das ist beschämend. Wir brauchen eine neue Zuwanderungs- und Asylpolitik.“ Immer und immer müsse daran
erinnert werden: „Deutschland ist ein Exportland. Das Label „Made in
Germany“ steht in aller Welt für Qualität.“ Daher sind Unternehmer und
Dienstleister weiterhin auf Fachkräfte angewiesen. Der demografische
Wandel in Deutschland macht sich schon jetzt bemerkbar. Die Berliner
Sozialdemokratin ruft auch „zu einem intensiven Dialogprozess mit Eltern,
gerade von jungen Kindern, auf. Sie alle sollen eine faire Chance erhalten. Es
sind auch unsere Kinder.“

Die Vorschläge der Berliner SPD können aber
frühestens in der nächsten Legislaturperiode verwirklicht werden. Der jetzige
Leiter des Ausländeramtes ist Bürgermeister und Innensenator Frank Henkel
(CDU). Der kleinere Koalitionspartner der SPD hat schon erklärt, am
bestehenden Koalitionsvertrag werde man festhalten. Im Herbst 2016 wird in
Berlin wieder gewählt. Dann sind eventuelle Veränderungen möglich. Das
letzte Wort hat der Wähler, dazu zählen in Berlin auch zahlreiche Muslime.
(Volker-Taher Neef, Berlin)



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