Artikel Montag, 22.09.2014 |  Drucken

Tagung im Deutschen Bundestag: Menschenrecht Religionsfreiheit

Am 15. und 16. September 2014 lud die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu einer öffentlichen Tagung ein Das Motto lautete: „Das „C“ ist für uns Programm - Menschenrecht Religionsfreiheit - Wie schützen wir verfolgte Christen?“

Wer nun gedacht hatte, hier wird das Islam - Bashing ganz großgeschrieben, wurde glücklicherweise enttäuscht.  Natürlich kamen die Terrorakte von Boko Haram, IS, Al - Kaida und Taliban zur Sprache, eine Verbindung zu den 99,99 % friedliebenden Muslimen auf der Welt wurde aber nicht aufgebaut. Der evangelische Landesbischof i. R. Dr. Ulrich Fischer wies in seiner Rede daraufhin, im Irak habe „die Terrorgruppe IS die Opfer aus den Reihen der Jesiden, Christen, Schiiten und moderaten Sunniten“ sich herausgesucht und grauenvoll gefoltert und sogar getötet.

Gleich bei Eröffnung der Tagung betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Franz-Josef Jung, der Kirchenbeauftragte der Union: „Die Mütter und Väter des Grundgesetzes sprachen im Artikel 4 von Religionsfreiheit.“  Da steht nichts im Grundgesetz von einem exklusiven Recht der christlichen Religionsfreiheit. Momentan werden weltweit rund 100 Millionen Christen verfolgt, diese Verfolgung ist aber nicht das Exklusivrecht in muslimischen Händen.
Wie es um die Religionsfreiheit bestellt ist, teilte Prof. Dr. Heiner Bielefeldt den Zuhörern mit. Er ist Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN - Menschenrechtsrats. „Man kann in so kurzer Zeit gar nicht alles aufzählen, was es weltweit an Religionsfreiheit zu beklagen gilt.“ Aus seiner Palette seien erwähnt: In Vietnam müssen alle religiösen Veranstaltungen, egal ob eine Moschee - oder Kirchengemeinde sie durchführen möchte, ein Jahr im voraus angemeldet werden. Dazu zählen Gottesdienste, Prozessionen, Bibelstunden etc. Kasachstan verlangt von jeder Religionsgemeinschaft eine Steuer für jede religiöse Handlung, sei es Gottesdienst, Konfirmation oder Kommunion. Mit Hilfe der Steuer bzw. deren Höhe kann jeder Staat Religionen lahmlegen, wenn er will. Einmal an der Steuerschraube drehen, schon sind Gottesdienste unbezahlbar!

In Pakistan hat die Ahmadiyya zu leiden, ihr ist es staatlicherseits schon verboten „Salam Alaikum“ zu sagen. Indien verfolgt und drangsaliert Hindus, die zum Christentum oder Islam übergetreten sind. Eritrea bekämpft die Zeugen Jehovas, weil diese christliche Gemeinschaft den Wehrdienst verweigert; damit kann sich die Militärdiktatur in diesem afrikanischen Land nicht anfreunden und spricht auch schon mal Todesurteile gegen die Zeugen Jehovas aus. Es ist sogar ein Fall bekannt, dass die Regierung Eritreas angeordnet hat, einen in Haft sich befinden Zeugen Jehova lebend zu kochen. Das ist auch geschehen, die Militärdiktatur hofft, dadurch weitere potentielle Wehrdienstverweigerer für den Dienst an der Waffe „überzeugen“ zu können. Im Iran werden die Bahaii verfolgt; Saudi-Arabien drangsaliert sowohl Schiiten als auch Atheisten. China geht den perfiden Weg, gerade bei Kindern und Jugendlichen. So werden im Ramadan im Rahmen der Schulspeisung mittags die köstlichsten Speisen, dazu zählen auch Desserts, gereicht, um die jungen Muslime unter den Schülern zu bewegen, nicht zu Fasten. Die Mehrheit der Volksgruppe der Uiguren sind Muslime, ihnen sind hohe Ämter im Staat schon ab Geburt verwehrt. Der besetzte Landesteil Tibet soll schnellstens seine buddhistische Identität verlieren und somit ziehen Jahr für Jahr staatstreue Chinesen per angeordnetem Zuzug nach Tibet um die dort noch lebenden Tibeter zur Minderheit zu degradieren. Nicht der Papst in Rom setzt Bischöfe in China ein oder die evangelische Kirchenleitung ihre Bischöfe, dieses Privileg steht nur dem Staat und der allmächtigen kommunistischen Partei zu. Dass weder der Papst noch die evangelische Kirche diese „Bischöfe als Mitbrüder betrachtet“, schert die Regierung in Peking nicht.

In Nordkorea wird jede Religionsgemeinschaft als Staatsfeind betrachtet und auch so behandelt. In Russland, gerade jetzt in Zeiten der aktuellen Krim-Krise, erlaubt sich die staatstreue russisch - orthodoxe Kirche Taten gegenüber der römisch - katholischen Kirche, die vorher undenkbar waren. Da werden Grundbucheintragungen einer romtreuen Kirche überprüft und plötzlich findet ein Besitzerwechsel zur russisch – orthodoxen Kirche statt.
„In Birma trommeln die angeblich so friedliebenden buddhistischen Mönche gegen Muslime; in Sri Lanka rufen buddhistische Geistliche via sozialer Medien dazu auf, muslimische Geschäfte zu boykottieren.“

Im südamerikanischen Paraguay sind es Christen, die das spirituelle Erbe der Ureinwohner, der Indianer, zerstören. Oft geht es nicht um die Religion, wenn eine religiöse Minderheit verfolgt wird. Werden beispielsweise Erdölvorkommen in einer Region entdeckt, wo eine religiöse Minderheit in einem Staat beheimatet ist, wird religiöser Hass zuerst geschürt und dann kann man nach einer Vertreibung der Bevölkerung ungestört die Bodenschätze ausbeuten.

Heiner Bielefeldt teilte auch mit: „Rund 30 % aller Staaten dulden keinen Religionswechsel im eigenen Land. Es sind nicht nur muslimische Staaten, die solche Verbote ausgesprochen haben.“ Erzbischof Bashar Warda ist das chaldäisch - katholische Oberhaupt in Erbil/Irak. Er verwies darauf, bei einer Vertreibung von Christen aus dem Irak geht „ein großer Teil unserer syrisch - aramäischen Kultur verloren. Sind die Flüchtlinge in den USA oder Europa angekommen, passt man sich der dortigen Lebensweise an und spricht die Sprache des Landes.“ Mit „großer Verzweiflung“ sprach er auch einen Umstand an, der hier kaum beachtet wird. Durch die Terroraktionen der IS flüchten zahlreiche Menschen. „Kommen diese Flüchtlinge in anderen Teilen des Irak an, fehlt es an Wohnraum. Dann werden Schulen zu Wohnräumen umgewandelt. Die Schulkinder werden ihrer Schulräume beraubt und können nicht mehr zur Schule gehen. Diese Kinder wachsen ohne Bildung auf.“

Der CDU - Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Heribert Hirte, Vorsitzender des Stephanuskreis, einem überkonfessionellen Gesprächsforum, dass sich für Toleranz und Religionsfreiheit einsetzt, holte die Zuhörer in die raue deutsche Wirklichkeit zurück. Er teilte mit, hierzulande sagen viele Bürger, Deutschland müsse mehr Verfolgten, besonders verfolgten Christen, Schutz bieten. Soll dann das Flüchtlingsheim in unmittelbarer Nähe der gestrigen Befürworter einer erhöhten Flüchtlingsaufnahme erbaut werden, schließen sich  diese Leute einer Bürgerinitiative an, um das Heim zu verhindern. Es muss also noch viel getan werden, um die Religionsfreiheit, dazu zählen auch die Rechte des Wechsels der Religion und das Recht, keine Religion zu haben, umzusetzen.
CDU/CSU-Fraktionsführer Volker Kauder weiß schon einmal, wo der Einsatz beginnen muss. Es ist die UN selbst. „So schön der Umstand auch ist, dass mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt ein Deutscher die Leitung innehat, eines kann nicht angehen: Ihm steht nur eine einzige Schreibkraft zur Seite.“ Andere UN - Beauftragte haben ganze Bürokomplexe, in denen die Mitarbeiter auf viele Etagen verteilt, tätig sind.

Der Unionspolitiker Kauder will in persönlichen Gesprächen mit UN - Repräsentanten dafür sorgen, dass die Weltanschauung des UN - Menschenrechtsrats einen höheren personellen Stellenwert erfährt.
Recht so! Das käme schließlich allen Religionen zu Gute.
(Volker-Taher Neef, Berlin)





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