Artikel Freitag, 05.09.2014 |  Drucken

Wahlen in Sachsen - Wo war das Volk?

Einst stand das unterdrückte Volk in der sächsischen Metropole Leipzig auf und rief: „Wir sind das Volk.“ Bürgerinnen und Bürger legten sich mit der kommunistischen Staatsmacht an, die aus Volkspolizei und Stasi bestand und leiteten am Ende der als Montagsdemonstrationen in die Geschichte eingegangenen Protestzüge die Wiedervereinigung ein. Das ist jetzt gerade einmal ein Vierteljahrhundert her.

Am letzten Sonntag im August 2014 fanden Landtagswahlen im Freistaat Sachsen statt, der knapp über 4 Millionen Einwohner zählt. Zwei Ergebnisse dieser sächsischen Landtagswahl lassen 25 Jahre nach dem Einzug von demokratischen Verhältnissen negativ aufhorchen. Zum einen haben die am rechten Rand stehenden Parteien A f D und NPD fast 15 % der Stimmen erhalten.

Als zweites negatives Ereignis bleibt festzuhalten, die Wahlbeteiligung lag unter 50 %. Rechnet man dieses Ergebnis auf den Wahlsieger CDU um, die mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich knapp 40 % erreichen konnte, heißt das im Klartext: Rund 3,9 Millionen Bürger waren wahlberechtigt in Sachsen. Eine Wahlbeteiligung von 49 % bedeutet, 1,9 Millionen Bürger gingen an die Wahlurnen, 2 Millionen blieben zu Hause. Für die siegreiche CDU mit ihren rund 40 % der auf sie fallenden Stimmen entschieden sich also ca. 800.000 Wahlberechtigte.

Am Ende der Zahlenkette heißt das konkret, in einem Bundesland mit über 4 Millionen Einwohnern legen 800.000 Wähler fest, wer Landesvater wird bzw. bleiben darf. Das sind 20 % der Gesamtbevölkerung. Jeder 5. Bürger des Freistaates hat sich für den amtierenden Ministerpräsidenten Tillich entschieden, der damit der große Wahlsieger wurde! Muss es heißen: „Sogar jeder 5. Wähler“ oder „Nur jeder 5. Wähler?“

Einst hat man in Sachsen gerufen: „Wir sind das Volk“, jetzt kann man zurückfragen: „Wo war am Wahlsonntag das Volk?“
Überlassen über 50 % der Bevölkerung in Dresden, Leipzig, Görlitz und anderswo im Freistaat die Verantwortung den Politikern selber? Sollen sich die Politiker selber im Amt bestätigen? Was ist denn im Freistaat 25 Jahre nach dem Einzug der Demokratie schiefgelaufen? Demokratie und Wahlen - ohne mich sagen über 50 % der Wähler.

Sind die Leute im Freistaat so unentschlossen? Konnte man im Parteienbereich, bestehend aus CDU, SPD, LINKE, GRÜNE, FDP, sieht man von rechten Parteien ab, nichts passendes finden? Es wird kaum eine Partei geben, die ein Wähler mit 100 %-Überzeugung wählen kann; man stimmt mit 70, 80 % zu. Der Wähler entscheidet sich für eine Partei und Kandidaten, die ihm und seinen Ansichten am nächsten kommen. Dieses Nichtinteresse in einem so hohen Ausmaß sollte zum Nachdenken anregen, das tut es auch, wie wir erfahren haben.

Im Deutschen Bundestag teilte uns der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief mit: „Man ist schon beinahe versucht, die geringe Wahlbeteiligung als ein Drama zu bezeichnen. Es muss viel deutlicher klargemacht werden, Demokratie lebt vom Mitmachen, vom Mitmachen von allen Beteiligten und nicht nur von einem Bruchteil der Bevölkerung.“

Fazit: Da bleibt wohl noch viel zu tun in Schulen und an Arbeitsplätzen, um die wunderbaren Seiten der Demokratie zu verdeutlichen. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung wird vielleicht die Demokratie als etwas selbstverständliches betrachtet, das keine Unterstützung braucht. Wählen in Deutschland ist keine geografische Hürde, Wahllokale liegen in der  Nähe des Wohnorts. Wem das immer noch zu weit ist oder wer am Wahltag verhindert sein sollte, kann Briefwahl beantragen. Der Wahlbrief kostet den Wähler nicht einmal Porto!

Die Nichtwähler sollten nur einen kurzen Augenblick an die Menschen in vielen arabischen Ländern, Zimbabwe, China, Nordkorea u.a. denken! Da würden selbst  Fußkranke tagelange Märsche in Kauf nehmen, um einmal in ihrem Leben an allgemeinen und gleichen sowie geheimen Wahlen teilnehmen zu dürfen. (Volker-Taher Neef, Berlin)




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