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Sonntag, 02.03.2008

Renommiertes US-Forschungsinstitut deckt auf, was Muslime wirklich denken

Gallup-Umfrage an 50 000 Muslime in 35 Ländern zeigt fundamentalen Irrtum mit weitreichenden politischen Folgen auf

Vier von fünf Deutschen halten den Islam für fanatisch, 60 Prozent der deutschen Bevölkerung meinen, Islam und Demokratie vertrügen sich nicht. So lautete das Ergebnis einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Jahr 2006. Eine internationale Gallup-Umfrage unter der muslimischen Bevölkerung lässt nun die andere Seite zu Wort kommen – mit durchaus überraschenden Ergebnissen: Ausgerechnet im Iran, der im Westen oft als mittelalterlicher Gottesstaat gesehen wird, sprachen sich 85 Prozent der Befragten für die Gleichberechtigung von Mann und Frau aus. In Indonesien waren es sogar 90 Prozent, in Saudi-Arabien 61 Prozent. "Obwohl es selten Demokratie gibt in muslimischen Ländern, schätzen viele Muslime eine Reihe demokratischer Prinzipien", so Studienautor John L. Esposito.

Es war der Chef des renommierten US-Forschungsinstituts Gallup, Jim Clifton, den nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine Frage nicht losließ: Fanden eigentlich viele Muslime diesen Terrorakt gut oder nicht? Clifton beschlich das Gefühl, "dass niemand in Washington wirklich wusste, was die 1,3 Milliarden Moslems weltweit dachten.
Der überraschende Tenor: Wer von einem fundamentalen Gegensatz im Denken von Moslems und Bürgern westlicher Gesellschaften ausgeht, sitzt einem ebenso fundamentalen Irrtum auf. Im Gegenteil, die große Mehrheit der Menschen in islamisch geprägten Gesellschaften und in den USA - ihrem vermeintlichen Hauptgegner - denken in wichtigen Fragen sehr ähnlich.

In islamischen Ländern erfreuen sich Werte wie Freiheiten und Wohlstand überaus großer Zustimmung, gewaltsame Konfrontationen werden dagegen abgelehnt. "Muslime und Amerikaner lehnen Gewalt gegen Zivilisten gleichermaßen als moralisch nicht zu rechtfertigen ab", teilte Gallup zu der Umfrage unter 50 000 Muslime in 35 Ländern mit. Technologie und Demokratie hingegen werden hoch geschätzt.

Die allermeisten Muslime träumen von einem besseren Arbeitsplatz und Sicherheit, wünschen keinesfalls Konflikte oder Gewalt. Nur sieben Prozent der Befragten rechtfertigten die Anschläge vom 11. September, die anderen 93 Prozent sind laut Gallup als "moderat" einzustufen. "Große Mehrheiten der Muslime würden die Meinungsfreiheit garantieren", heißt es in der nach Gallup-Angaben größten Studie, die es je zu diesem Thema gegeben hat.

Und noch eine Auffassung verbindet die Muslime in der Welt mit den Menschen in den USA: Sie sind besorgt über den moralischen Verfall und den Zusammenbruch traditioneller Werte im Westen. "Das sind dieselben Antworten, die Amerikaner geben, wenn man ihnen diese Frage stellt", fasst Gallup zusammen.

Die Autoren der Studie, Professor John L. Esposito von der Universität Georgetown und Dala Mogahed vom Gallup-Zentrum für Moslem-Studien warnen deshalb: "Wenn die Entscheidungsträger nicht direkt aufs Volk hören und sich ein genaues Verständnis dieses Konflikts aneignen, werden Extremisten auf allen Seiten an Boden gewinnen."



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    -"Die Frontlinie verläuft nicht zwischen Islam und Westen" - Aiman Mazyek im Spiegel-Interview
        -> (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,518757,00.html)