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Dienstag, 08.01.2008
ZMD-Vorsitzende Köhler: Hessische Ministerpräsident sorgt mit seiner "Hetze" für "Islamophobie" - Zentralrat der Juden: Erziehungs- und Ethikkurse für einige Politiker - Evangelische Kirche übt ebenfalls harscher Kritik
Berlin - Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat die jüngsten Äußerungen von Hessens Ministerpräsident Roland Koch zur Ausländerintegration heftig kritisiert. Koch betreibe eine „äußerst gefährliche Hetze“, sagte der Zentralratsvorsitzende Ayyub Axel Köhler dem Tagesspiegel. Der CDU-Politiker fische mit seinem populistischen Wahlkampf nicht nur am rechten Rand, sondern sorge auch dafür, dass der Rechtsradikalismus stärker werde, sagte Köhler. „Den Radikalen bleibt ja nichts anderes übrig, als weiter aufzusatteln, damit sie neben solchen Politikern überhaupt noch erkennbar sind.“
In seinem Thesenpapier für mehr Moral und Disziplin hatte sich Koch auch den „Sitten und Gebräuchen“ in Wohnvierteln mit hohem Zuwandereranteil gewidmet. In der Passage hieß es: „Die Sprache im Miteinander muss Deutsch sein, das Schlachten in der Wohnküche oder in unserem Land ungewohnte Vorstellungen zur Müllentsorgung gehören nicht in unsere Hausordnung.“ Zuvor hatte Koch bereits beklagt, dass es in Deutschland „zu viele junge kriminelle Ausländer“ gebe, und damit eine breite Diskussion über Jugendkriminalität losgetreten. Bereits im Landtagswahlkampf 1999 war Koch vorgeworfen worden, Ausländerfeindlichkeit zu schüren. Damals hatte er in Hessen eine Unterschriftenaktion gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts initiiert.
Köhler betonte, dass der Hinweis auf „Missstände, die wir auch als Muslime bekämpfen“, nicht in einen aufrichtigen Wahlkampf gehöre. Dadurch werde in der Bevölkerung „Islamophobie“ erzeugt. „Wenn es um Tugendhaftigkeit geht, braucht sich Koch nur in der eigenen Partei umsehen“, sagte der Ratsvorsitzende unter Anspielung auf die Spendenaffäre der hessischen CDU. Und was das Problem des rituellen Schlachtens von Tieren betreffe , fühlten sich die Muslime von der deutschen Politik auch allein gelassen. „Ein ordentlicher Schächtbetrieb in den Schlachthöfen unter veterinärmedizinischer Aufsicht wird uns verwehrt.“
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden sieht Kochs Wahlkampf unterdessen "fast schon auf NPD-Niveau". Er kritisierte Kochs Vorgehen als "verlogen" und betonte ebenfalls im Tagesspiegel: "Wir brauchen scheinbar keine Programme gegen Rechts, sondern Erziehungs- und Ethikkurse für einige Politiker."
Kramer warnte davor, Vorurteile gegenüber Ausländern zu schüren. Es gebe bereits "erste Anzeichen, dass vor allem die NPD und andere rechtsextreme Gruppen die Debatte nutzen". Er nannte es "unverantwortlich, wenn Politiker hier mit dem Feuer spielen". Notwendig sei nun "lauter Widerspruch aus der Gesellschaft".
Kramer betonte zudem: "Wieder einmal versucht die Politik, schnelle Lösungen für die Symptome zu liefern, statt die Ursachen zu analysieren und wirksam zu bekämpfen. Das ist Populismus, aber keine Politik!"
Gegen schärfere Jugendgesetze hat sich auch der der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, ausgesprochen: Es stünden schon jetzt „gute juristische und pädagogische Instrumente” zur Verfügung, es fehle aber an Geld und Personal, um sie umzusetzen. Das „Sparen an Kindern und Jugendlichen” müsse beendet werden, so Schneider bei der Landessynode in Bad Neuena, wo er zudem staatlich geförderte Ausbildung und Arbeit und ein größeres Engagement der Wirtschaft einforderte.
Bernd Schlüter, sozialpolitischer Vorstand des Diakonischen Werks, hat für den Ministerpräsidenten in der "Frankfurter Rundschau" nur harsche Worte übrig.
Der Diakonie-Vorstand sprach von einem "unanständigen Anstandskatalog zu Wahlkampfzwecken, der erheblichen gesellschaftlichen Schaden anrichten kann". Koch habe für seine Pauschalisierungen "haarsträubende Beispiele" herangezogen. Schlüter kritisierte auch, dass sich Koch als "akzeptierter Sprecher einer schweigenden Mehrheit von Deutschen" bezeichnet hatte.
Koch mache Stimmung auf "fragwürdigem Niveau", sagte Schlüter. "Stattdessen sollten wir besser schauen, wie wir mit einer vernünftigen Bildungs- und Sozialpolitik bestimmte Gruppen wieder an die Mitte der Gesellschaft heranführen."