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Freitag, 06.07.2007

Eine Baskenmütze ist ebenfalls ein Kopftuch - allerdings nur, wenn sie auf dem Kopf einer Muslima sitzt

Das Arbeitsgericht Düsseldorf entschied am 29.06.07, dass, weil die klagende Sozialpädagogin den Schülern vorher mit Kopftuch bekannt gewesen sei, die Baskenmütze den „Symbolgehalt“ ihres Kopftuches übernommen habe und damit ebenfalls ein vom Schulgesetz verbotenes Symbol sei.
Im Umkehrschluss würde das natürlich bedeuten, dass diejenigen Lehrerinnen, die mit Baskenmütze an eine andere Schule wechseln, diese tragen dürften, denn die neuen Schüler können dann die abendländisch-christliche Baskenmütze auch nur abendländisch-christlich und damit verfassungskonform deuten, weil sie ja von der Motivation der Lehrerin nichts wissen. Ob das Ministerium und die Gerichte wohl dieser - von ihnen selbst vorgegebenen - Argumentation folgen werden? Und ob ein Versetzungsantrag der betroffenen Lehrerinnen von Erfolg gekrönt wäre? Wir werden sehen …

Wahrscheinlich ist das nicht, denn der anschließende Vorschlag der Bezirksregierung in der Verhandlung, die „Perücke als intelligente Lösung“, hat gezeigt, um was es eigentlich geht: Es darf nicht irgendeine Perücke sein, nein, sie muss aus Echthaar bestehen und sie darf auch nicht die Ohren bedecken. Warum? Weil der Betrachter nicht bemerken soll, dass hier eine Muslima ihre eigenen Haare nicht zeigen will. Und da eine Muslima mit dem Kopftuch nicht nur ihre Haare und den Hals, sondern auch ihre Ohren bedeckt, soll sie dies mit den Ersatz-Haaren nicht können. Also muss es eine Kurzhaarperücke sein, die weder Hals noch Ohren bedeckt und die den Eindruck erweckt, dies seien die authentischen Haare der Trägerin. Jedenfalls darf es nicht auffallen, dass die zu sehenden Haare zu einer Perücke gehören. Jede Perücke muss vorher abgesegnet werden, die Frauen dürfen nicht alleine entscheiden, wie die Perücke aussehen soll, wenn sie sich denn überhaupt dazu durchringen können, sich auf diese Art drangsalieren zu lassen.

Ob diese Vorschriften wohl für alle Lehrerinnen mit Perücken gelten? Wohl kaum. Zu erwarten ist, dass im kommenden Schuljahr diejenigen muslimischen Lehrerinnen, die tatsächlich auf eine Perücke ausweichen müssen (freiwillig tut das keine, aber es gibt etliche unter ihnen, die die Haupt- bzw. Alleinverdiener der Familie sind) weiter unter die Lupe genommen werden: „Tragen sie einen Rollkragen? Dann versuchen sie also doch ihren Hals zu bedecken.“ Der Anwalt der Bezirksregierung ließ schon anklingen, dass man darauf ein Auge haben wird. „Tragen sie lange Ärmel und lange Röcke oder weite Hosen? Auch das eine Bekleidungsgewohnheit, die eine religiöse Motivation vermuten lässt.“ Damit werden dann lange Ärmel, lange Hosen und Röcke sowie Rollkragen zu verfassungsfeindlichen Symbolen - von Wintermänteln und Wollmützen als Schutz vor Kälte bei der Aufsicht auf dem Schulhof ganz zu schweigen. Allerdings gilt auch hier wie bei der Baskenmütze: Nur wenn eine Muslima sich so kleidet, ist das verfassungsfeindlich, alle anderen genießen nach wie vor die Freiheit, dass es in diesem Land eben keinen Zwang gibt, ein Kleidungsstück an- oder auch ausziehen zu müssen. Für die muslimischen Lehrerinnen in NRW sind damit iranische Zustände (mit umgekehrten Vorzeichen) angebrochen und sie müssen schmerzlich lernen: Quod licet jovi non licet bovi (Wenn zwei ungleiche Menschen das Nämliche tun, so ist ihr Tun doch nicht das Nämliche). Ob die nächsten Instanzen der Gerichte da wohl mitziehen?

Die Richter der bisherigen Verfahren ließen alle durchblicken, sie sähen, dass die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes, nämlich die Gleichbehandlung aller Religionen, im NRW-Gesetz (das identisch mit dem Gesetz in Baden-Württemberg ist) nicht erfüllt ist. Aber ein jeder hat sich darauf zurückgezogen, dass es in der jeweils aktuellen Verhandlung darum nicht gehe, dass jetzt nur entschieden werde, ob die Lehrerin sich an das nun mal existierende Gesetz halte, sei es aus verfassungsrechtlicher Sicht auch noch so bedenklich. Das Motto aller Richter bisher war: "Ich habe hier nur ein Amt …" ("… und keine Meinung", heißt es weiter in Schillers Wallenstein). Schade, dass bisher kein Richter den Schneid hatte zu sagen: „Ich möchte erst entscheiden, wenn feststeht, ob das Gesetz überhaupt unserer Verfassung genügt.“ Die Möglichkeit dazu hätte bisher jeder einzelne Richter gehabt und damit das Gesetz vom BVerfG überprüfen lassen können.
Aber vielleicht findet sich ja in den nächsten Verfahren noch einer, der den Mut dazu hat. wer weiß.

Die Schulministerin Barbara Sommer äußerte sich vor der Presse dahingehend, dass mit dem Urteil die Verfassungsmäßigkeit des Schulgesetzes nachgewiesen sei. Dabei weiß auch sie jedoch sehr gut, dass es darum eben in allen bisherigen Verhandlungen - leider - nicht ging. Darüber werden höhere Instanzen zu entscheiden haben, und über den Ausgang dieser Verfahren ist sich auch die Landesregierung nicht sicher. Daher ist die Idee, den Frauen eine "Perücke als Lösung" vorzuschlagen, nur zu gut zu verstehen: Wird dieser Köder geschluckt, ist keine der Betroffenen mehr "beschwert", keine kann klagen, das Gesetz bleibt ewig in Kraft und damit ist der Weg in den Schuldienst allen Kopftuch tragenden Frauen endgültig versperrt. Das darf nicht sein und es ist im Interesse einer Gesellschaft, die Integration nicht nur als wohlfeiles Politikergerede begreift, dass Menschen aller Religionen und Herkunft den Zugang zu allen Bereichen der Gesellschaft haben. Maßstab sollen das Können und das Verhalten sein, nicht das Aussehen. Es ist also zu hoffen, dass die Betroffenen weiterhin die Energie und den Mut haben, gegen dieses diskriminierende Gesetz zu klagen.


Inititiative für Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft www.isgg.de