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Freitag, 01.03.2002

Bashir Ahmad Dultz, Mitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) sprach mit uns über das jüdisch-muslimische Verhältnis und die Auswirkungen der "Islamischen Charta" in Deutschland

Für diese anspruchsvolle Idee des Trialogs arbeitet der langjährige Präsident der Christlich-islamischen Gesellschaft (CIG) unermüdlich und beklagt gleichzeitig die zu geringe Unterstützung der deutschen Muslime. In diesem Jahr bekommt die CIG den Preis der "Apfelbaum"-Stiftung für ihre Bemühungen im christlich-islamischen Dialog

Bashir Ahmad Dultz, oder auch "Ya Schechi", wie er liebevoll von den Anhängern seiner andalusisch-sufischen Tariqah genannt wird, die vor allen Dingen die Frauen -und die Dialogarbeit mit Andersgläubigen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit setzten, ist ein Kenner des interreligiösen Dialoges. Er ist seit 1983 für den deutsch-englischen Raum als Scheich ernannt. Der achtfache Familienvater und Vorsitzende der Deutschen Muslimliga Bonn, ist seit 1991 Präsident der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG), die in diesem Jahr von der Stiftung "Apfelbaum" mit dem Stiftungspreis für die langjährigen Verdienste in der interreligiösen Arbeit ausgezeichnet wird. Sicherlich auch ein Verdienst des über den interreligiösen Kreis hinaus bekannten und vor zwei Jahren verstorbenen Geschäftsführers Klaus Schuenemann.

Bashir unterstützt im Beirat der Christlich-Islamischen Gesellschaft in Stuttgart das erste Abrahamitische Haus, das in Deutschland gebaut werden soll. Als Deutscher und Muslim ist er Ehrenprofessor des jüdischen Leo Baeck-College in London, was er - nicht ohne ein wenig stolz zu sein - erwähnt. Schnell wird deutlich, wo seine Vision hinausläuft, nämlich in seiner Arbeit das Gespräch mit den Juden und Christen in diesem Land zu suchen und zu fördern. In der letzten Mitgliedsversammlung der CIG warb er für diese anspruchsvolle Idee und beklagt gleichzeitig die zu geringe Unterstützung der deutschen Muslime. Er hofft jedoch, für diese Idee die Unterstützung bei den vielen jungen Leute in den regionalen Christlich-Islamischen Gesellschaften zu finden und so ein deutschlandweites Netzwerk zu gründen. Dabei will er aktiv weiter für die jüdisch-christlichen und christlich-islamischen, wie auch jüdisch-christlich-islamsichen Gesellschften werben.


islam.de sprach mit dem Gründungsmitglied des Zentralrates:

islam.de: Sie arbeiten seit Jahrzehnten im interreligiösen Dialog. Allein in der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG) sind Sie seit 1984, und Vorsitzender seit 1991. Woher nehmen Sie die Kraft, das alles zu bewerkstelligen?

Bashir: Meine Antwort als Muslim ist, dass von Allah kommt, was wir brauchen. Ich bin überzeugt, dass der Dialog absolut notwendig ist im Lande. Wir müssen diesen Dialog pflegen, müssen alles tun, um nicht Fremde im Lande zu bleiben. Wir haben sehr viel von den Juden in Deutschland zu lernen und dabei sehe ich auch, was die Vergangenheit gebracht hat. Aus diesem Grunde sehe ich, dass wir miteinander reden müssen, wir müssen miteinander arbeiten können. Wir müssen uns miteinander um die soziale Gerechtigkeit und die Entwicklung dieses Landes sorgen.

islam.de: Nach dem 11. September sprachen alle von der Veränderung der Weltlage. Was hat sich speziell für den christlich-islamischen Dialog nach diesem 11. September verändert?

Bashir: Wenn ich vom Internationalen absehe, mich auf Deutschland beschränke, dann haben wir wohl wesentlich mehr Gespräche als vorher. Diese Gespräche gehen tiefer als vorher. Ich glaube, das was wir an schlimmen Dingen hören und erfahren, wird durch das was wir Gutes hören, ausgeglichen oder wettgemacht.

islam.de: Viele in der Bevölkerung bekommen immer noch wenig mit von diesen christlich-islamischen Initiativen und Arbeiten. Was können dafür tun, dass es nicht bei einem Dialog der Eliten bleibt oder zu einem solchen führt?

Bashir: Ich glaube doch, dass wir selbst sehr gefordert sind, was unsere Basisarbeit innerhalb unserer muslimischen Gemeinschaften angeht. Ich glaube, dass in der Basis Bildungstand, soziales Umfeld und immer noch fehlende Sprachkenntnisse bei der ersten und zweiten Generation. Man könnte noch weitere Gründe anführen weshalb wir so wenig für die eigene Basis von dem Dialog bzw. des Aufeinanderzugehens haben vermitteln können.

islam.de: Ich höre eine gewisse Enttäuschung heraus; Sie machen das so lange und weisen immer auf den islamischen Beweggrund dieses Dialoges hin und doch engagieren sich die Muslime kaum stärker auf diesem Gebiet.

Bashir: Ich bin teilweise enttäuscht, auch wenn ich in Hinblick auf die Geschichte und andere Länder mir Erklärungen geben kann, warum es so langsam geht. Wenn die ganze Entwicklung so enttäuschend ist, muss ich natürlich sagen, dass es mir häufig weh tut, wie langsam und schwerfällig wir sind, die Basis oder auch Großorganisationen zu motivieren, ein wenig offener zu werden. Beispielsweise sind wir als Deutsche Muslim Liga im Zentralrat der Muslime. Ich plädiere dafür, dass zu jeder Delegiertenversammlung immer zwei oder drei Nichtmuslime eingeladen werden, die im Dialoggeschehen im Rahmen von Kirche, Partei, Staat oder einfach von der Gesellschaft her aktiv sind, um diesen Multiplikatoren Einblick in unsere Arbeitssituation und Bemühungen zu geben von innen heraus.

islam.de: Welche Erwartungshaltung oder Kritik haben Sie gegenüber der "deutschen Gesellschaft", Politik aber auch den Meinungsmachern usw., was den interreligiösen Dialog angeht, weil man den Eindruck hat, dass auch diese ihn nicht wahrnehmen und stiefmütterlich behandeln.

Bashir: Da kommen wir wieder zu unseren berühmten Medien; sind die Medien schuld daran, oder spiegeln die Medien nur wider, was sich in der Gesellschaft tut? Nehmen wir als Beispiel das Aktuelle, die sogenannte Schächterlaubnis: ich hatte bis vor wenigen Tagen geglaubt, dass das Schächten jetzt in Deutschland erlaubt ist und jeder Muslim sein Schaf schlachten kann. Seit drei Tagen ist mir klar, dass es erst mal eine Ausnahmegenehmigung für das Opferfest der nächsten Woche ist und dass diese individuell beantragt und genehmigt werden muss mit vielen Formalitäten und Umständlichkeiten, die dabei zu erfüllen sind. Durch die ganzen Schlagzeilen und Berichte der Presse hat jeder das Gefühl in Deutschland, dass jetzt das Schächten erlaubt ist. Die Medien waren nicht in der Lage, in der Zeit seit dem Urteil zu vermitteln, was wirklich diese Schächterlaubnis bedeutet. Weder in den Druckmedien noch im Fernsehen sagt jemand, dass individuelle Genehmigungen beantragt werden müssen. Dann wäre dieser Eindruck, dass die Scharia die deutsche Gesetzgebung übertrumpft oder ähnliches nicht entstanden. Da muss ich sagen, die Medien haben damit sehr zu tun.

islam.de: Zurück zum christlich-islamischen Dialog. Welche Vision haben Sie, was die christlich-islamische Dialogarbeit angeht und wie sehen Sie den Dialog mit den Juden?

Bashir: Ich habe während meiner 30 Jahre in der arabischen Welt auch von dort den Dialog mehr mit den Juden gepflegt als mit den Christen, was mich politisch letztendlich in große Bedrängnisse gebracht hatte. Seit 1983 wieder in Deutschland, habe ich mich hauptsächlich im jüdisch-islamischen Dialog bewegt. Dass es sich später ein wenig mehr zum christlich-islamischen bewegte, ist eine Entwicklung, die sich ergab, weil die Aktiven sehr wenige sind und dies immer gefordert wurde. So haben wir auch in Bendorf nun seit 15 Jahren das christlich-islamische Pfingsttreffen, woran weit über 100 Menschen teilnehmen. Und ähnliches haben wir mit Kontinuität in unserem Umfeld an vielen anderen Stellen auch erreicht. Ich fühle mich als ein Teil in der abrahamitischen Tradition stehend. Und wir drei gehören durch Gottes Wille miteinander verbunden, auch wenn es uns schwer fallen sollte. Es ist nun mal so, wir sind die Ahlul-Kitab (Buchreligionen/Offenbarungsreligionen) und wir müssen Wege finden, miteinander endlich in Frieden auszukommen, so wie es uns der Koran vorgibt, nämlich im Guten miteinander wetteifern.

Islam.de: Noch eine Frage zum ZMD und seine "Islamische Charta". Was halten Sie von der Aktion jetzt anderthalb Wochen danach? Bashir: Wir haben zusammen mit den anderen Mitgliedorganisationen an der Formulierung dieser wichtigen Erklärung gearbeitet. Wir finden die Konsenserklärung für sehr gelungen. Wir betrachten das nun veröffentlichte Papier als ersten Schritt uns auf dem Wege in die deutsche Gesamtgesellschaft verantwortlich und verpflichtend einzufügen; dabei wollen wir Partner in der Lebensgestaltung unseres Landes sein. Ich bin der Meinung, dass diese "Islamische Charta" Grundlage für Kommentare, Ergänzungen und Erweiterungen sein kann.

Islam.de: Denken Sie da vielleicht an etwas Bestimmtes?

Bashir: Ja, ich würde mir wünschen und die gilt auch für die DML Bonn, dass wir das Thema religionsgemischte Ehen (Vater Christ und Mutter Muslima, Anm. des Verfassers) einmal auf die Tagesordnung bringen und eine einvernehmliche Lösung finden könnten, die die Kinder dieser Eltern gebührend berücksichtigt.

islam.de: Herr Dultz, wir danken Ihnen für das Gespräch.