Freitag, 25.05.2007
Gelesen habe ich Ihren Kommentar mehrfach, aber verstanden habe ich eigentlich Ihre Argumentation nicht, außer Ihre offenbar panische Angst vor der Berührung von Körpern beim Schwimmen. Nun, dann darf man auch keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, Schulbusse müssen Mädchen und Jungen, Frauen und Mädchen getrennt transportieren, man darf sie auch nicht zum Einkaufen schicken, im Flugzeug auch nicht gemischt sitzen usw. usf. etc., kurz gesagt: Saudische Zustände. Hier aber ist die Bundesrepublik.
Das Grundgesetz, von dem Sie sprechen, haben Männer ausgearbeitet, die nur sehr wenige Frauen herangezogen haben. Unter den 70 Mitgliedern des Parlamentarischen Rates - 65 stimmberechtigt, 5 nicht stimmberechtigte aus Berlin -, die das Grundgesetz erarbeitet haben, waren nämlich nur 3 ( drei) Frauen, zwei davon als Schriftführerin, d.h. zuständig fürs Protokoll. Dieses macht viel Arbeit und wird, zusammen mit dem Amt des "Kassenwartes", noch heute gern Frauen aufgebrummt, die sich nicht immer dieser Taktik der Männer bewußt sind. Natürlich hatten Frauen damals auch wesentlich weniger Zeit, denn sie mußten für Essen und die Kinder und weiße Hemden des Mannes sorgen, den nicht vorhandenen Alltag organisieren, Trümmer beseitigen etc.. Sofern sie nicht überhaupt verwitwet waren und sich und ihre Kinder noch mühsamer als andere Frauen durchbringen mußten, denn die Rente für Kriegerwitwen hat sehr lange auf sich warten lassen.
Trotz allem gesteht mir aber das Grundgesetz die gleichen Rechte wie einem Mann zu, und ich möchte es gegen kein anderes eintauschen. Selbst wenn manche Gesetze und Verordnungen drumherum manchmal seinem Geist noch nicht entsprechen, und man erst aktiv werden muß. So bekam das Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, die dem Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters bis 1974 versagt wurde.
Nach so viel Gewalt von Menschen an Menschen gegen und nach Kriegsende, die ich unmittelbar erlebt habe, strahlen für mich Hoffnung und Licht aus dem ersten Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Ich fürchte nur, daß die deutschen Männer damals - wie die französischen (fraternité, égalité) und amerikanischen ("we hold this truth to be self-evident that all men are created equal") - "Mensch" hier weitgehend mit "Mann" gleichgesetzt haben. Der Staat hat lange Zeit mitnichten die Würde einer Ehe-Frau bei Gewalt in der Ehe geschützt; das ist erst jetzt ein Straftatbestand. Der Mann hat den Wohnort bestimmt, war der sog. Haushaltsvorstand ( noch heute werden z.B. Spendenbescheinigungen an meinen Mann geschickt, selbst wenn er in meiner Überweisung nicht genannt wird). Und um 1968 ein eigenes Konto zu eröffnen, sollte ich die Unterschrift meines Mannes beibringen.
Ähnlich ist's mit der Koedukation: Da Mädchen "ja doch heiraten", brauchen die nicht lernen, was Jungen lernen müssen, und man hat sie nach der vierten Klasse getrennt unterrichtet. Handarbeitsstunden für die Mädchen, die Jungen bekamen Praktischeres angeboten. Auch das hat sich erfreulicherweise geändert.
Das sind nur wenige Beispiele, die Sie gar nicht miterlebt haben. Aber wir Älteren haben dies erlebt und sind, falls wir politisch wach sind, höchst empfindlich bei diesem Thema. Der Geist der Grundgesetzes ist offen - aber nach vorn, nicht rückwärtsgewandt!
Die Verkürzung in der Argumentation, den Grad der Integrationsbereitschaft an der Frage zu messen, Schwimmen für Mädchen "Ja" oder "Nein", verstehe ich inzwischen vollkommen. Es ist ja keinesfalls so, daß alle gläubigen Muslime nur gegen gemeinsames Schwimmen wären, es geht ja überhaupt ums "Entblößen". Wer sollte sich sonst für die sog. islamische Badebekleidung interessieren, die an die Bademode früherer Zeiten in deutschen Badeanstalten ähnelt? Es geht - von Ihnen nicht angesprochen, aber dennoch real - auch um die Themen, die alle Jahre wieder aktuell werden und Lehrer und Betreuer so viel kostbare Zeit kosten: Sportunterricht, Klassenfahrten ...Jedenfalls solange diese Bildungsinhalte nicht schärfer formuliert werden.
Leider habe ich in all den Jahren nicht erlebt, daß sich Muslime, Männer wie Frauen, mit gleicher Inbrunst für diese Gesellschaft engagieren: als Freiwillige beim Roten Kreuz z.B., bei der Betreuung von Kranken und Alten, bei der Frankfurter Tafel oder der Düsseldorfer Tafel oder... oder...
Vielleicht treten Muslime mal vermehrt als Engagierte für diese Gesellschaft auf und weniger als Fordernde?