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Montag, 25.09.2006

Politische Landschaften für die Demokratie in Deutschland verloren

Nach den Wahlen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern:
Alarmierende Nazi-Zuwächse in Deutschland - Der Zentralrat der Juden in Deutschland wirft der Politik Versagen im Kampf gegen Rechtsextremismus vor

islam.de - Die Geringschätzung, ja Verachtung gegenüber der Politik etablierter Parteien wächst. In einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern mit der bundesweit höchsten Arbeitslosigkeit und dem niedrigsten Wirtschaftswachstum hat es die NPD nicht einmal mehr nötig, mit einfältigen rechtsextremen Parolen auf sich aufmerksam zu machen. Den Neonazis reicht die Beschreibung des desolaten Zustandes, in dem das Land sich nach acht Jahren Rot-Rot befindet, um gerade junge Wähler zu gewinnen. Menschen, die verzweifelt, mindestens aber verärgert auf der Suche nach einem Ausweg aus persönlicher Perspektivlosigkeit sind. All das ist dazu angetan, die politische Form dieser Republik insgesamt zu hinterfragen. Eine Bundesregierung, die ihr Handeln nicht an den Absichtserklärungen des Wahlkampfes orientiert, beschädigen das Ansehen von Politik. Auch dafür hat die Koalition jetzt die Quittung bekommen - die CDU besonders in Berlin, die SPD in Mecklenburg-Vorpommern.

Schon während des Wahlkampfes musste die neue aggressive Wahlkampfstrategie von NPD, Republikanern und sog. "freien Kameradschaften" alle Demokraten ebenso alarmieren wie die Tatsache, dass in Mecklenburg-Vorpommern offensichtlich ganze politische Landschaften für die Demokratie verloren sind.

Jetzt, nach dem Wahl-Schock, wollen die „demokratischen Parteien“, die zumeist nur wenige aktive Mitglieder im Osten Deutschland zählen, gemeinsam gegen die Neonazis vorgehen: als erstes sollen die Absagen und die Angst der Touristen nach Osten zu fahren veröffentlicht werden – Ob das hilft?
Als zweites flammt auch die Debatte um ein Verbot der rechtsradikalen Partei wieder auf. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte letzte Woche, er wolle mit Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) über die Erfolgsaussichten eines neuen Verbotsverfahren sprechen. Schon vor der Wahl hatte unter anderem Wolfgang Thierse, der SPD-Bundestagsvizepräsident, einen neuen Anlauf beim Bundesverfassungsgericht gefordert.

Der letzte Anlauf scheiterte im März 2003. Damals erzwangen drei Richter - eine Sperrminorität - die Einstellung des Prozesses wegen "nicht behebbarer Verfahrenshindernisse". Die getrennt eingebrachten Verbotsanträge von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag waren damals zunächst vom Tisch die drei wichtigen Verfassungssäulen, die dilettantisch das Verfahren unter der Leitung des damaligen Innenministers angestrengt haben, brutal brüskiert.
"Die Ergebnisse der Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern sind bestürzend und eine Bankrotterklärung der Politik", sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Sie forderte die Politik auf, "endlich offensiv, nachhaltig und mit überzeugenden und finanziell langfristig abgesicherten Strategien gegen den erstarkenden Rechtsextremismus vorzugehen, anstatt mit einem Etikettenschwindel vorhandene Konzepte zu verwässern."

Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schlägt in die ähnliche Kerbe und gab den demokratischen Parteien eine Mitschuld am Erstarken der NPD. Dass die Bevölkerung mehr und mehr auf Distanz gehe, liege an der Sprechblasenpolitik der vergangenen Jahre, sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion der Chemnitzer "Freien Presse". Zugleich warnte sie davor, die Ursachen des Rechtsextremismus nur in der hohen Arbeitslosigkeit zu suchen. Die Parteien des Bundestages müssten selbstkritisch eingestehen, dass Anspruch und Wirklichkeit der Politik längst nicht mehr übereinstimmten, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Gerade mit der Regierungsübernahme der großen Koalition sei deutlich geworden, "dass sich die Politik vor allem um sich selbst dreht". Der Bürger spüre, dass er kaum noch eine Rolle spiele. Wenn sich diese Haltung nicht ändere, könne sich der Stimmenanteil für die Rechtsextremen bei der nächsten Wahl verdoppeln.