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Sonntag, 09.07.2006

Mit dem Kopftuch auf den Gipfel und über die Weisheit des Grundgesetzes - Heribert Prantl

Auf dem Weg zum Integrationsgipfel, der in der kommenden Woche bei der Bundeskanzlerin stattfindet, liegt ein Kopftuch. Es liegt nicht nur als Symbol für die Schwierigkeiten da, die es bei der Integration von Muslimen objektiv gibt, sondern auch als Symbol für die Schwierigkeiten, die man sich durch gesetzliche Rigorositäten selber schafft. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat soeben die Unterscheidung nicht akzeptiert, welche verschiedene Landesgesetze in Deutschland machen: Diese Gesetze erlauben bei Lehrkräften zwar die christliche Ordenstracht, nicht aber das islamische Kopftuch - und begründen das mit der christlichen Tradition.

Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise den christlichen Bekenntnissen etwas Gutes tun; in Wahrheit hat er ihnen etwas Böses angetan. Denn das Verbot des islamischen Kopftuches ist ein Schrittmacher auf dem Weg zum Laizismus auch in Deutschland. Der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sich ein Verbot des Kopftuches nur halten lässt, wenn es gleichermaßen auf alle religiösen Bekenntnisformen erstreckt wird. Das Grundgesetz gewährleistet nämlich die Freiheit von Religion und Weltanschauung als Menschenrecht für alle Bekenntnisse in gleicher Weise. Es kennt keine privilegierten und keine minderberechtigten Bekenntnishandlungen, etwa deswegen, weil diese als ungewohnt oder fremd erscheinen. Das heißt: Wer per Gesetz das islamische Kopftuch an Schulen verbietet, der stellt dort auch die vertrauten Zeichen christlicher Kultur in Frage.

Die Weisheit, die im Grundgesetz steckt, sollte die Leitlinie beim Integrationsgipfel sein.