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Dienstag, 23.09.2025

Sant’Egidio: Angesichts der Dramen von Krieg und Flucht die Humanität nicht verlieren

An die Stelle von lauten Parolen. die nur Angst und Aggressionen schüren, muss Migration als strukturelle Politik aufgefasst werden

Appell für eine legale Aufnahme von Geflüchteten, die unseren Ländern zugutekommt.Vor zehn Jahren erschütterte das Bild des dreijährigen toten Syrers Alan Kurdi am Strand viele Menschen und löste eine große Betroffenheit und Hilfsbereitschaft für Geflüchtete aus. Seitdem hat sich die Lage vollkommen gewandelt: Grenzen werden geschlossen, Zäune errichtet, Abschiebungen verstärkt durchgeführt. Die Aufnahme von Migranten darf nicht gegen die Sorge um die eigenen Probleme ausgespielt werden. Abschottung darf nicht zum
Leitwort werden. Dabei ist das Leid der Flüchtlinge um vieles dramatischer geworden, auch aufgrund der zunehmenden Kriege. Das Bild des toten Kindes am Strand wie die Bilder der vielen anderen Kinder, die unschuldige Opfer der zu vielen blutigen Konflikte auf unserem Planeten werden, muss uns heute erneut aufrütteln: Wir dürfen nicht gleichgültig bleiben. Hierzu gehört auch,
dass die deutschen Zusagen an die afghanischen Hilfskräfte unverzüglich umgesetzt werden, die schon zu lange warten und von Verhaftung oder sogar Zurückweisung bedroht sind, was ihr Leben gefährden würde. Die Familienzusammenführungen müssen weiter ermöglicht werden, das ist eine wichtige Grundlage für eine wirksame Integration. Leider verbreitet sich in Europa eine Logik, in der jeder für sich allein und teilweise gegen den anderen rudert. Man versäumt die Entwicklung gemeinsamer Lösungen, die die Notwendigkeit der Zuwanderung für den Arbeitsmarkt und den humanitären Anspruch unseres Kontinents mit dem rechtmäßigen Bedürfnis nach legaler Migration verbindet. Ein Beispiel hierfür sind die „humanitären Korridore“, die Sant’Egidio mit anderen Akteuren in verschiedenen europäischen Ländern eingeführt hat. Sie haben Tausende auf sicherem Wege aus oft unmenschlichen Situationen gerettet und erfolgreich bei der Integration begleitet. Dieser Vorschlag sollte auch auf europäischer Ebene umgesetzt werden.



Die Migration muss als eine strukturelle Frage aufgefasst werden, die europaweit eine gemeinsame Politik erfordert und an die Stelle von lauten Parolen tritt, die nur Angst und Aggressionen schüren. Die Nachkriegsgeschichte unseres Landes hat sich immer und in anerkennenswerter Weise durch einen besonderen Einsatz zum Schutz der im Grundgesetz hervorgehobenen Menschenwürde vor allem der Bedürftigen und Verfolgten ausgezeichnet. Es ist nicht nur möglich, diese Herausforderung anzugehen, sie kann vielmehr zu einer Bereicherung für unsere überalterten Gesellschaften werden. Dies zeigt auch die Erfahrung der vergangenen 10 Jahre mit der Aufnahme der syrischen Flüchtlinge, die überwiegend in den Arbeitsmarkt integriert und heute zum festen Bestandteil unseres Landes geworden sind.