Ich bin in Aachen zur Welt gekommen, meine Mutter wuchs in Freiburg auf, eine echte und bis an ihr Lebensende überzeugte Schwarzwälderin. Mein Vater stammt aus Aleppo, der alten Handelsstadt in Syrien. Er kam 1958 nach Deutschland, zwecks Studiums der Elektrotechnik und wurde Ingenieur. Er hat seiner neuen Heimat viel gegeben – und sie ihm.
Er gründete mit meiner Mutter unsere Familie und lebte ein gutes, deutsches Leben. Seine Heimat war unser Land, seine Wurzeln reichten tief in die Erde seiner deutschen Heimat – aber ein Teil seiner Existenz fand auch in Syrien statt. So wie meines, seines Sohnes. Syrien hat mein Vater in mich hineingepflanzt, es ist immer bei mir und ein Teil von mir. Es ist schön und es ist ein Privileg, diese beiden Kulturen, die deutsche und die syrische in sich zu haben. Nein, ich habe es nie als Konflikt empfunden, stets als Geschenk. Es beschäftigt mich Zeit meines Lebens, Brücken zu bauen, die Menschen zusammenzuführen, gleich welchem Glauben sie folgen oder welche Haar- oder Hautfarbe sie haben. Und Syrien hat mich so viele Jahre schon beschäftigt – mit großer Freude, als Kind und junger Mensch, wenn ich dort war, mit Traurigkeit die zurückliegenden Jahre von Folter, Unterdrückung, Krieg. Und jetzt wieder mit Freude, denn ich sehe die Chancen.
Es muss nicht erwähnt werden, aber es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass der Wiederaufbau gerade für die deutsche Wirtschaft Chancen bietet. Ja, ich spreche es deutlich aus: Am Wiederaufbau soll und muss auch die deutsche Wirtschaft teilhaben, und sie darf und soll dabei Geld verdienen und Arbeitsplätze auslasten. Das dient allen, und darum ist es gut! Deutsche, mit syrischen Wurzeln allzumal, können zu Schlüsseln des Brückenbaus sein, sie können entscheidend den Wiederaufbau mit ihrem Wissen, ihr Kapital und ihren Netzwerken vorantreiben. Die Grundlage eines neuen Syriens ohne Krieg ist die wirtschaftliche Prosperität. Syrerinnen und Syrer selbst haben ein existentielles Interesse, dass am Ende ein Staat herauskommt, wo genau solche Kernelemente die tragenden Säulen werden. Das heißt eben nicht Theokratie, d.h eben nicht eine durch Sektierertum behaftete Autokratie, all das hatten wir allzumal über 50 Jahre. Die Syrer haben davon – auf gut Deutsch mehr als die Schnauze voll. Strategisch hat also Deutschland hat ein erhebliches innen, wirtschafts- und außenpolitisches Interesse, diesen Prozess positiv zu begleiten Wir haben die historische Chance, Syrien zu einem guten Land zu machen. Und wir sollten diese Chance nicht ungenutzt vergehen lassen, schon aus Eigeninteresse. Es braucht dazu Menschen, die beide Kulturen kennen, deutsche wie syrische. Die gibt es. Es wäre gut, sie einzusetzen.
Erstveröffentlichung Berliner Zeitung vom 06.02.2025 - Mit freundlicher Genehmigung des Autors