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Sonntag, 09.06.2024


20 Jahre Nagenbomben-Anschlag: "Staat hat NSU-Opfer nicht geschützt" - Heute wird im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an das Attentat erinnert

NRW-Ministerpräsident Wüst erinnert an den rechtsextremen Anschlag - und bittet die Opfer um Entschuldigung

"Ausgerechnet die Menschen, die vom Terror getroffen geworden waren, wurden zum Ziel polizeilicher Ermittlungen. Sie wurden verhört, durchsucht, manche über Jahre unter Druck gesetzt. Diese Ungerechtigkeit, nicht als Opfer gesehen zu werden, sondern stigmatisiert oder mit quälenden Gerüchten konfrontiert zu werden, mussten Sie hier in Köln erleben."Ähnlich sei es Angehörigen der NSU-Opfer auch in anderen Städten gegangen, betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

"Den Opfern und ihren Angehörigen will ich sagen: Mit dem Wissen von heute ist uns klar: Schon in den neunziger Jahren hätte der Staat den Rechtsextremismus systematischer beobachten und entschlossener bekämpfen müssen." Diese Erkenntnis wiege schwer, betonte der Bundespräsident. "Aber sie hat zwei Seiten. Denn in ihr zeigt sich eine Stärke, die allein die Demokratie besitzt: Als einzige Staatsform ist sie in der Lage, Fehler aufzuarbeiten."Steinmeier sagte, dass die Demokratie im Kleinen, im Alltag verteidigt werde. Wichtig sei, beim Streiten den Respekt nicht zu vergesse und Gewalt im politischen Meinungskampf zu ächten - "ganz gleich, aus welchen Motiven sie sich speist: links- oder rechtsextremistisch oder aus religiösem Fanatismus". Die Gesellschaft müsse zusammenhalten und dürfe sich nicht spalten lassen.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat die Betroffenen des NSU-Anschlags in der Kölner Keupstraße um Entschuldigung gebeten. "Der Staat, dessen vorderste Aufgabe es ist, die Menschen zu schützen, muss eingestehen, dass er in der Keupstraße an diesem Anspruch gescheitert ist. Er hat die Menschen nicht geschützt. Er hat sie weder vor körperlichen und seelischen Schäden noch vor falschen Verdächtigungen bewahrt", schreibt der Politiker in einem Gastbeitrag für den Kölner "Stadt-Anzeiger" (Samstag) und die türkische Zeitung "Hürriyet". Er bitte "alle, denen so lange nicht geglaubt wurde und die fälschlicherweise selbst ins Visier der Ermittlungen gerieten, obwohl sie Opfer waren, um Entschuldigung".

Bei dem Anschlag am 9. Juni 2004 waren 22 Menschen von einer Nagelbombe in der Keupstraße verletzt worden, vier von ihnen schwer. Zu der Tat bekannte sich der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU).Die Rechtsextremisten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zündeten am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße eine Nagelbombe. Durch die Explosion wurden 22 Menschen verletzt, vier davon schwer. Der Angriff zählt zur rechtsextrem motivierten Anschlagsserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), zu der zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge gehören. Böhnhardt und Mundlos wurden 2011 tot gefunden, sie sollen sich durch Suizid einer Verhaftung nach einem missglückten Banküberfall entzogen haben. Die zum NSU-Trio zählende Rechtsextremistin Beate Zschäpe sitzt in Haft.

Wüst beklagte, die Anwohner der Keupstraße hätten "nicht nur den Schock des Anschlags und die Angst um das eigene Leben erfahren müssen, sondern auch Vorverurteilung und Diffamierung". Teilweise sei sogar gegen die Betroffenen und ihre Angehörigen ermittelt worden.Auch die Gesellschaft und die Medien hätten Fehler gemacht, was die Einführung des "unsäglichen Begriffs der 'Dönermorde'" zeige. Das "engstirnige Denken in geistigen Schubladen" sei die Quelle der Fehler gewesen. "Gerade jetzt, wo rechtsradikale Parteien mit Vorurteilen und Ausgrenzung wieder erfolgreich Politik machen, muss die demokratische Mitte gemeinsam gegen ein solches Denken einstehen", fordert der CDU-Politiker.