Bronze-Kopf einer Iyoba (Königinmutter), frühes 16. Jahrhundert, Ethnologisches Museum, Berlin
Deutschland gibt Benin-Bronzen an Nigeria zurück
Außenministerin Annalena Baerbock: „Das wird nicht alle Wunden der Vergangenheit heilen. Aber wir zeigen, dass wir es ernst meinen mit der Aufarbeitung unserer dunklen Kolonialgeschichte.“
Abuja (KNA) 20 Benin-Bronzen hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrer ersten Nigeria-Reise im Gepäck. In der Nacht zu Montag in der Hauptstadt Abuja angekommen, übergibt sie die Kunstwerke am Dienstag an den nigerianischen Staat. Im 16. Jahrhundert schmückten sie den Palast des Königreichs Benin. Der Termin gilt als wichtigster Punkt des Besuchs, und Baerbock sagte vor der Abreise: "Wir bringen 20 Benin Bronzen aus deutschen Museen dorthin zurück, wo sie hingehören, in ihre Heimat." Das könne nicht alle Wunden heilen, aber zeigen, dass "Deutschland es ernst meint mit der Aufarbeitung seiner dunklen Kolonialgeschichte".
Was in Deutschland mit Spannung begleitet wird, ist für die meisten Nigerianer höchstens eine Randnotiz. "Sie sind mit anderen Dingen beschäftigt", sagt in der Stadt Kaduna Pastor Yohanna Buru. Die größte Herausforderung sei die Unsicherheit im gleichnamigen Bundesstaat im Norden des Landes. "Wir verzeichnen viele Entführungen und bewaffnete Überfälle. Erst in der Nacht zu Montag hat es wieder einen gegeben. Das macht den Menschen wirklich Sorge", sagt Buru.
Ein weiteres Problem sei die hohe Armutsrate. "Viele Menschen wissen nicht wie sie ihren Alltag finanzieren und Lebensmittel kaufen sollen. Das belastet." Nach Angaben des Nationalen Statistikbüros leben mittlerweile 133 der 220 Millionen Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze. Zusätzlich für Spannungen sorgen die Wahlen im Februar und März. Dann werden ein neuer Präsident, Parlamente und Gouverneure gewählt. Eine Phase, in der es immer wieder zu Gewalt kommt. "Ich würde mir wünschen, dass deutsche Regierungsvertreter darüber mit Menschen sprechen und ihnen zuhören", sagt der Pastor.
Er selbst bezeichnet die Rückgabe der Artefakte allerdings als "großartige Sache". "Wir sind sehr dankbar, dass die Bronzen zurückkehren. Das ist späte Gerechtigkeit." Auch sei anzuerkennen, dass Deutschland die Werke aus dem einstigen Königreich Benin zurückgibt. "Geraubt wurden sie schließlich von britischen Truppen."
In der Hauptstadt Abuja bezeichnet der emeritierte Erzbischof, Kardinal John Onaiyekan, die Rückgabe als wichtig. Die Bronzen seien nicht nur für Menschen aus Benin City, wo einst das Zentrum des gleichnamigen Königreichs lag, von kultureller und historischer Bedeutung, sondern für Menschen aus ganz Nigeria. Unter der Kolonialherrschaft hätten auch andere Regionen gelitten, die zum heutigen Staatsgebiet gehören. "Die Werke sind illegal mitgenommen worden."
Museum in Benin City geplant
Auch im Weltmuseum in Wien und im Britischen Museum befinden sich Bronzen. Im Oktober kündigten drei Museen und Galerien in den USA an, 31 Artefakte zurückzugeben. Damit verbunden ist die Debatte um ein Museum, das in Benin City, Regionalhauptstadt des heutigen Bundesstaates Edo, neben dem Palast des Oba, aus dem die Werke einst geraubt wurden, entstehen soll.
Das Edo Museum für westafrikanische Kunst, das der ghanaisch-britische Architekt David Adjaye plant, solle mehr als bloß eine Ausstellung sein, betonte Mitte des Jahres Gouverneur Godwin Obaseki. Es soll auch ein Zentrum der Forschung werden. "Dinge über uns dürfen uns nicht von Europa erklärt werden", sagte er bei einer Vorstellung des Projekts. Das Eröffnungsdatum steht allerdings noch nicht fest.
Auch für Obiora Ike, den ehemaligen Generalvikar im Bistum Enugu und Direktor der Stiftung Global Ethics Centre mit Sitz in Genf, ist die Rückgabe längst überfällig. Sie sei richtig und gerecht. Ike hält auch eine Entschuldigung für angemessen, möglicherweise auch Schadensersatz.
Nicht vergessen werden dürfe, so Kardinal Onaiyekan, dass es sich nicht nur um Kunstgegenstände handele, sondern um Objekte mit kulturellem und religiösem Wert für viele Menschen. "Wir hoffen, dass sich die Regierung gut darum kümmert und die Welt Nigeria deshalb besucht."
In Benin City wünscht sich das auch Doris Ogbeifun. "Die Bronzen lassen Nigeria endlich einmal in gutem Licht erscheinen", sagt die Einwohnerin der Provinzhauptstadt. Benin City ist international bisher vor allem als Drehscheibe des Menschenhandels bekannt gewesen. Mit der Rückgabe, hofft Ogbeifun, ändert sich das Image nun.
Mehr als 3.000 Artefakte wurden während der Benin-Expedition im Jahr 1897 von den britischen Eroberern aus dem Königspalast des Oba, des traditionellen Machthabers, geraubt, nach Europa geschafft und landeten in Kunstsammlungen, Museen und Universitäten. Rückgabeforderungen scheiterten über viele Jahre. Im Jahr 2017 sagte der französische Präsident Emmanuel Macron in Ouagadougou, Hauptstadt von Burkina Faso, die Restitution von Kunstwerken aus einstigen Kolonien zu. Das Thema beschäftigte seither zunehmend auch Museen in anderen Ländern sowie deren Regierungen.