Schriftstellerin Slimani: Wahlkampf in Frankreich "unerträglich"
Bei jeder Präsidentschaftswahl "geht es wieder los: die nationale Identität, die Muslime, die Laizität. Die Menschen hätten indes andere Sorgen.
Es sei "demütigend und beschämend", dass es immer wieder auf "ein und dasselbe Thema" zulaufe, kritisierte die französisch-marokkanische Autorin, deren Buch "Der Duft der Blumen bei Nacht" kürzlich erschienen ist. Die Menschen hätten indes andere Sorgen: "Sie fragen sich, wie sie den Kühlschrank vollbekommen, ob sie mit ihren Kindern in die Ferien fahren können, ob sie für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden." Am 10. April findet der erste Wahlgang für die französische Präsidentschaftswahl statt.
Durch ihre schriftstellerische Arbeit habe sie verstanden, "dass die Kolonialzeit nicht vorbei ist", sagte Slimani weiter. "Sie ist nicht vorbei, nur weil zwei Staaten sie für beendet erklären und ein Papier unterschreiben, das ist bis heute spürbar." So sei die Generation ihrer Eltern "von Franzosen ausgebildet worden, sie haben sich von französischer Musik, französischem Kino, von der Lektüre französischer Bücher, Zeitungen und Magazine geistig ernährt." Das habe aus ihren Eltern "seltsame Zwitterwesen" gemacht: "einerseits Marokkaner, die sich für die Unabhängigkeit engagieren, aber gleichzeitig auch Produkte der westlichen Kultur".
Die Kolonialisierung demütige die Menschen, erklärte Slimani. "Man schämt sich, dominiert worden zu sein." Viele Menschen dächten, dass dieses Thema nur von Franzosen, Briten oder Deutschen verdrängt werde - in Wahrheit sei es "in den kolonialisierten Ländern genauso tabu." In Marokko schämten sich viele Menschen dafür, "in der Schule eine andere Sprache gesprochen, eine fremde Geschichte gelernt und akzeptiert zu haben. Eine ganze Generation hat die Orientierung und ihre Identität verloren. Sie wussten nicht, wer sie waren."