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Montag, 08.11.2021


Rassismus stellt keine Form der Liebe dar.

Antidiskriminierungsstelle warnt: Rassismus steigt rapide an

Bundestag gefordert dringlich Maßnahmen zu ergreifen

Alle vier Jahre wird dem Bundestag ein Bericht vorgelegt, der die gewählten Volksvertreter darüber informiert, auf welche Art und Weise Bürger dieses Landes diskriminiert werden. Zusammengestellt wird dieser Bericht von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung und der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die Zustände sind, vor allem was das vergangene Jahr betrifft, höchst besorgniserregend. Zusätzlich zum ohnehin stetigen Anstieg sind allein in der Antidiskriminierungsstelle die Beratungszahlen im Jahr 2020 um 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

33 Prozent der zwischen dem 01. Januar 2017 und 31. Dezember 2020 eingegangenen Beratungsanfragen gehen auf Diskriminierungserfahrungen aufgrund ethnischer Herkunft/Rassismus zurück. Das heißt in 33 Prozent der Fälle erfahren Menschen Benachteiligung, weil sie ohne ihr eigenes Zutun in der falschen „Haut“ geboren wurden. In 24 Prozent der Fälle werden Menschen benachteiligt, weil sie dem vermeintlich „falschen“ Geschlecht zugehören. Wenn man sich bewusst macht, dass keine Person sich bei der Geburt aussucht, ob sie Mann oder Frau oder welcher Abstammung sie sein möchte, wird einem erschreckenderweise bewusst, aus welchem Geist heraus die Diskriminierenden handeln: einem Geist, der allen Werten, die mit der Aufklärung errungen wurden, widerspricht.

Appell an die kommende Regierung

„Wir müssen alles dafür tun, Menschen noch besser zu unterstützen: Durch ein deutschlandweit dichtes Netz an Anlaufstellen, neue und niedrigschwellige Möglichkeiten zur Klärung von Diskriminierungsfällen und einen Ausbau der Forschung, um noch gezielter Wege zur Bekämpfung von Benachteiligung finden zu können.“, so Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Und Forderungen stellt er insbesondere an die sich konstituierende Regierung: „Die seit Jahren von uns und zahlreichen Organisationen geforderte Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darf nicht weiter auf Eis liegen. Wir brauchen eine Stärkung von Menschen, die rechtlich gegen Benachteiligung vorgehen wollen, zum Beispiel durch eine Verlängerung der Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen und ein Verbandsklagerecht.“

Der Schock über die Zahlen darf nicht lähmen. Es ist eine positive Entwicklung, dass immer mehr Bürger den Mut finden über ihre Diskriminierungserfahrung zu sprechen. „Heute sind wir enorm viel weiter, denn wenn man über ein Thema sprechen kann, hat man auch verstanden, dass es dieses Problem gibt.“, so Aladin El-Mafaalani, der Soziologe, Hochschullehrer und Autor des Bestsellers „Das Integrationsparadox: Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt“ ist.

Sensibilität für antimuslimischen Rassismus fehlt

Was im Bericht jedoch ausbleibt, ist die explizite Benennung des antimuslimischen Rassismus. Wenn beispielsweise Flüchtlingsheime angegriffen werden, tun die Aggressoren dies, weil sie Flüchtlinge mit Muslimen gleichsetzen. Darauf wurde vom Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, bereits früher hingewiesen.

„Vor allem nach dem Attentat in Hanau, das hauptsächlich antimuslimisch-rassistisch und islamfeindlich motiviert war, ist die Aufnahme dieser Phänomene relevanter denn je. Vor diesem Hintergrund ist das Nicht-Benennen des antimuslimischen Rassismus vielleicht ein Zeichen dafür, dass er schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und nicht als solcher wahrgenommen wird?“, sagt Armin Kurtovic, der seinen Sohn, Hamza Kurtovic, am 19. Februar 2020 beim Anschlag in Hanau verlor.

Um zu sensibilisieren für antimuslimischen Rassismus benötigt es einen Beauftragten für antimuslimischen Rassismus wie es ihn für Antisemitismus und Antiziganismus bereits gibt. Dies fordert der Zentralrat der Muslime bereits seit über 5 Jahren. Ein solcher kann dafür arbeiten, dass Polizisten und Bürger sensibler für Rassismus werden, dieser häufiger erkannt wird und in der Folge abnimmt. Das ist eine der Aufgaben der sich konstituierenden Regierung.