Die Menschen, die in den sechzig Jahren nach dem deutsch-türkischen Anwerbeabkommen hierherkamen, sind sehr unterschiedlich. Sie sind Türken, Kurden, Tscherkessen, Lasen, Armenier, Christen, Sunniten, Aleviten. Sie sind eben keine homogene Gruppe. Gerade beim Thema Religion wird das besonders deutlich. Die Menschen, die aus der Türkei zu uns gekommen sind, sind gläubige Muslime ebenso wie Menschen, die jahrelang keine Moschee von innen gesehen haben. Hier in Deutschland sind sie alle frei. Frei zu glauben oder auch nicht zu glauben.
Ja: Gläubige Muslime gehören zu diesem Gemeinwesen, genauso wie säkulare Zuwanderinnen und Zuwanderer. Wenn wir sagen, "ihr seid hier zuhause", dann muss auch ihr Glaube in all seiner Vielfältigkeit hier eine Heimat haben. Dazu gehört zum Beispiel die Ausbildung von Imamen oder der islamische Religionsunterricht an den Schulen. Auch deswegen sollte unser Land die religiösen Bedürfnisse der Muslime nicht nur dem Ausland überlassen. Solange aber das Bild des Islams in Deutschland von Stereotypen und Vorurteilen geprägt ist, solange die Luft dünner wird für diejenigen, die sich für den organisierten Islam in unserer demokratischen Verfasstheit einsetzen, solange Kooperationsformate abgesagt werden aus Angst vor der öffentlichen Meinung, so lange ist das "Heimatversprechen" nicht eingelöst. Musliminnen, Muslime sollen ihren Glauben in all seiner Vielfalt im Herzen unserer Gesellschaft leben können – mit und nicht gegen unsere Demokratie!
Nicht weniger darf unser Anspruch sein. Ich blicke heute mit großem Respekt auf die Lebensleistung Ihrer Eltern und Großeltern und mit Bewunderung auf die vielen unterschiedlichen Wege ihrer Kinder und Kindeskinder – all die Arbeiter und Lehrerinnen, Unternehmer oder Handwerker, Filmemacher, TV-Lieblinge oder Fußballstars, ohne die unser Land nicht das wäre, was es ist. Sie alle sollen uns Ansporn sein. Ich ermuntere Sie und alle, die hier zu Hause sind: Nehmen Sie sich den Platz, der Ihnen zusteht, den Platz in der Mitte, und füllen Sie ihn aus! Gestalten Sie diese Gesellschaft mit, denn es ist Ihre Gesellschaft!
Ich freue mich nun, die beiden Gesprächspartner und die Moderatorin des heutigen Vormittags vorzustellen.
Evren Zahirovic ist in Deutschland aufgewachsen und in der Türkei zu Schule gegangen. Sie kennt beide Länder und spricht darüber auch in ihrer Radiosendung auf Cosmo. Herzlich willkommen, Frau Zahirovic!
Adnan Maral und ich kennen uns schon lange. Vor fünfzehn Jahren begleitete er mich mit der Ernst-Reuter-Initiative nach Istanbul. Er ist ein kultureller Vermittler zwischen beiden Ländern, vor und hinter der Kamera – und meist ganz ohne Kamera. Schön, dass Sie da sind, lieber Herr Maral, lieber Adnan!
Ganz herzlich begrüße ich auch Nazan Eckes, die uns durch den heutigen Vormittag führt. Ich bin sicher, der eine oder die andere hat sie schon einmal irgendwo gesehen. Herzlichen Dank, liebe Frau Eckes, dass Sie heute schon wieder das TV-Studio mit Schloss Bellevue getauscht haben.
Und nicht zuletzt begrüße ich Sie alle hier im Saal. Wir haben Sie eingeladen, weil Sie viel zu erzählen und viel zu sagen haben. Dafür werden wir nach dem Zwiegespräch ausreichend Gelegenheit haben. Haben Sie also keine Scheu und bringen Sie sich ein! Ich freue mich sehr auf die Diskussion mit Ihnen allen. Wie schön, dass Sie hier sind!