Bundespräsident Steinmeier Rede im Schloss Bellevue, 10. September 2021
Steinmeier: "Solange das Bild des Islams von Stereotypen und Vorurteilen geprägt sei, solange die Luft dünner werde für diejenigen, die sich für den organisierten Islam in unserer demokratischen Verfasstheit einsetzten, so lange ist das "Heimatversprechen" nicht eingelöst."
Bundespräsident Steinmeier in seiner Rede zum 60. Jährigen Abkommen: "Wenn wir sagen, 'ihr seid hier zuhause', dann muss auch ihr Glaube in all seiner Vielfältigkeit hier eine Heimat haben", so Steinmeier.
Berlin Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zu einem Perspektivwechsel beim Blick auf die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland aufgerufen. "Wenn heute über ein Viertel der Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund hat, die meisten von ihnen hier geboren, warum zeigen wir dann überhaupt noch auf andere Menschen und sagen, 'das sind Menschen mit Migrationshintergrund', als seien sie irgendwie anders, außergewöhnlich, fremder als 'Wir'", erklärte Steinmeier am Freitag in Berlin. Er äußerte sich zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens.
Sie seien nicht Menschen mit Migrationshintergrund, sondern "wir sind ein Land mit Migrationshintergrund", sagte Steinmeier weiter. Er betonte, die Menschen, die damals gekommen seien, hätten ebenfalls seit Jahrzehnten "an diesem Land mitgebaut". Ihnen verdanke Deutschland sehr viel. Er hob hervor, "nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder, nein - die Entwicklung dieser deutschen Gesellschaft war und ist maßgeblich mitgetragen von Italienern, von Griechen, von Spaniern und Türken". Und auch künftig brauche Deutschland Zuwanderer, "wenn wir ein starkes und wohlhabendes Land bleiben wollen".
Rede im Schloss Bellevue mit Teilnehmern (u.a. IIT-Leiter Bülent Ucar)
"Der Glaube (Islam) muss auch hier seine Heimat haben: Dazu gehöre die Ausbildung von Imamen oder der islamische Religionsunterricht an den Schulen", betonte der Bundespräsident
Zugleich wies Steinmeier auf die Unterschiedlichkeit der Menschen hin, die mit dem Anwerbeabkommen nach Deutschland kamen. Gerade beim Thema Religion werde das besonders deutlich. Gläubige Muslime gehörten zu diesem Gemeinwesen, genauso wie säkulare Zuwanderinnen und Zuwanderer. "Wenn wir sagen, 'ihr seid hier zuhause', dann muss auch ihr Glaube in all seiner Vielfältigkeit hier eine Heimat haben", so Steinmeier.
Dazu gehöre zum Beispiel die Ausbildung von Imamen oder der islamische Religionsunterricht an den Schulen, betonte der Bundespräsident. Auch deswegen sollte Deutschland die religiösen Bedürfnisse der Muslime nicht nur dem Ausland überlassen. Solange das Bild des Islams von Stereotypen und Vorurteilen geprägt sei, solange die Luft dünner werde für diejenigen, die sich für den organisierten Islam in unserer demokratischen Verfasstheit einsetzten, solange Kooperationsformate abgesagt würden aus Angst vor der öffentlichen Meinung, so lange sei das "Heimatversprechen" nicht eingelöst. Er plädierte dafür, dass Musliminnen und Muslime "ihren Glauben in all seiner Vielfalt im Herzen unserer Gesellschaft leben können - mit und nicht gegen unsere Demokratie".