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Freitag, 21.06.2019
Steht die Zukunft des Islamischen Religionsunterrichts auf dem Spiel?
ZMD-Vizevorsitende Nurhan Soykan kritisiert den religionsverfassungrechtlich umstrittenen Ansatz der NRW Landesregierung zum bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht
IslamiQ: Wie beurteilen Sie das neue Kommissionsmodell für den islamischen Religionsunterricht in NRW?
Soykan: Das neue Modell sieht vor, dass das Land mit „muslimischen Organisationen“ Verträge schließt und diese dann gemeinsam die Idschaza erteilen.
Dabei liegen die Kriterien, wer das sein kann, wesentlich unter den Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft. Während man jahrzehntelang eine einzige Religionsgemeinschaft der Muslime gefordert hat, sollen es jetzt alle sein. Kriterien wie etwa die Bekenntnisgebundenheit, die allseitige Aufgabenerfüllung, die Gewähr der Dauer etc. fallen weg. Somit können Organisationen eingebunden werden, die nicht mal im Ansatz einer Religionsgemeinschaft entsprechen, bspw. keinerlei Moscheebindung aufweisen, und damit anders als die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften keinerlei Basis haben oder nur eine unwesentliche Zahl von Muslimen vertreten. Diese sollen in der Kommission aber gleiche Stimmgewichtung haben, wie eine Religionsgemeinschaft. Daher sehen wir das Kommissionsmodell als sehr problematisch an.
IslamiQ: Wie hat die bisherige Arbeit im Beirat geklappt?
Nurhan Soykan: Dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Beiratsmitglieder ganz gut. An vielen Wochenenden wurden Gespräche mit Lehrern geführt, die im Anschluss eine Idschaza bekommen haben. Einige, die die Kriterien noch nicht erfüllten, wurden zu Fortbildungen geschickt. Sicherlich gab es aber auch Mängel, die auch in der Stellungnahme des Beirates angebracht wurden, z. B. die mangelnde Zusammenarbeit mit den Schulen, da keine Hospitationsmöglichkeiten angeboten wurden.
IslamiQ: Die neue Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und der jeweiligen islamischen Religionsgemeinschaften oder Organisationen soll in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden. Durch diesen können mehrere muslimische Vertreter in der Kommission sitzen, im Gegensatz zum aktuellen Beiratsmodell. Sehen Sie Vorteile einer solchen Kommission?
Soykan: Das größte Problem ist, dass das Land entscheidet, mit wem es den Vertrag schließt und mit wem nicht. Es kann ihn auch kündigen. Das Land könnte auch Vereine hineinnehmen, die nicht bekenntnisgleich sind mit den etablierten Religionsgemeinschaften. Man hätte gar keine gemeinsame theologische Grundlage und müsste sich in der Kommission über die theologische Grundlage streiten. Es könnte die Situation entstehen, dass die vier großen Religionsgemeinschaften und fünf kleinere Vereine in der Kommission sitzen mit gleicher Stimmberechtigung. Damit könnten die Religionsgemeinschaften von kleinen Vereinen, die einige Personen vertreten, überstimmt werden. Die Zusammensetzung der Kommission liegt in der Hand des Landes, was ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Religionsgemeinschaften ist.
IslamiQ: Die Landesregierung möchte mit einem weiteren Übergangsmodell weitermachen. Sie sagt, es gebe keine Religionsgemeinschaft in NRW? Wie sehen Sie das?
Soykan: Ich denke, dass man diese Frage aussitzen möchte und nicht beantworten möchte, solange es geht. Seit drei Jahrzehnten steht diese Frage im Raum, seit drei Jahrzehnten reden wir mit dem Land darüber. Es gab Gutachten, die die Frage beantworten sollten, die nicht veröffentlicht werden. Es gab einen Arbeitskreis in der Staatskanzlei, der eingefroren wurde. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mitglieder des Koordinationsrats Religionsgemeinschaften sind. Nur gibt es keinen Mut, dieses in der politischen Debatte auszusprechen. Stattdessen versucht man Übergangslösungen zu verstetigen und eine Sonderbehandlung für Muslime zu rechtfertigen.
IslamiQ: Die Landesregierung sagt, dass ihr Übergangsmodell den verfassungsrechtlichen Anforderungen näherkommt, als das bisherige Übergangsmodell. Vor allem deshalb, weil in der vorgeschlagenen Kommission nun nicht mehr staatlich ernannte Personen sitzen würden, wie es im jetzigen Beirat der Fall ist. Das hatten Sie ja bis jetzt immer kritisiert. Kommt man so Ihren Vorstellungen nicht näher?
Soykan: Zunächst möchte ich anmerken, dass es mit den staatlichen Vertretern im Beirat keine theologischen Differenzen gab. Die Gefahr besteht beim Kommissionsmodell sehr wohl. Solange der Staat die Zusammensetzung bestimmt, ist der staatliche Einfluss weiterhin gegeben.
IslamiQ; In der Erklärung zum Gesetzesentwurf steht, dass man die gesamte Vielfalt der Muslime in NRW abbilden möchte. War das bis jetzt nicht der Fall?
Soykan: Die im Koordinationsrat der Muslime organisierten Religionsgemeinschaften betreuen ca. 2000 Moscheen von 2500. Immer mehr kommen dazu. Damit decken sie die Mehrheit des muslimischen Lebens ab. Außerdem ist der Beirat bzw. die Kommission nicht der richtige Ort, um Vielfalt abzubilden. Es geht um bekenntnisorientierten Unterricht, d. h. die Mitglieder müssen bekenntnisgleich sein. Vielfalt kann man in vielen anderen staatlichen Gremien abbilden, wie z. B. dem Gremium des Integrationsministeriums oder der Deutschen Islam Konferenz (DIK).
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.