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Dienstag, 12.06.2018


Mohamed Herzog verstorben

Ein Kommentar von Volker-Taher Neef

Für einen Imam hatte er ein ungewöhnliches Geburtsdatum. Ausgerechnet an einem 11. September kam er zur Welt. Im Jahre 1944 stand seine Wiege in Berlin. Seine „Berliner Schnauze“ und den Berliner Humor behielt er sein Leben lang bei. Der gelernte Krankenpfleger engagierte sich in jungen Jahren bei dem bekannten US-Prediger Billy Graham. Der in diesem Februar mit 99 Jahren gestorbene Baptistenpfarrer hatte den Spitznamen „Maschinengewehr Gottes.“

Damals rief man Mohamed Herzog noch Hartmut. Klassische „türkische Gastarbeiter“ machten ihn auf den Koran aufmerksam. Hartmut Herzog interessierte sich mehr und mehr für den Islam und nahm ihn an. Fortan nannte er sich Mohamed Herzog. 1979 gründete er in Berlin-Schöneberg die „Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime e. V.“ Sein Hauptaugenmerk richtete der Verein auf den interreligiösen Dialog.

Gemeinsam mit Vertretern anderer Religionen tauschte man sich aus. Es fanden beispielsweise Podiumsdiskussionen zu bestimmten Themen und Fragen statt und religiöse Vertreter erläuterten den Standpunkt aus der Sicht ihrer Religion. Das damalige Bezirksamt Schöneberg von Berlin sah sehr schnell, welch gute Dienste der von Mohamed Herzog gegründete Verein leistete. So stellte ihm das Bezirksamt Vereinsräume zur Verfügung. Hier trafen sich die Vereinsmitglieder und viele Gäste zu gemeinsamen Veranstaltungen wie einem Frühstück pro Monat und zum Fastenbrechen an jedem Samstagabend im Ramadan. Es war Mohamed Herzogs ausdrücklicher Wunsch, sich nicht nur zu religiösen oder wissenschaftlichen und interreligiösen Gesprächen zu treffen. Bei den zahlreichen Begegnungen im später „Interkulturelles Haus“ genannten Vereinsräume entstanden Freundschaften über religiöse Grenzen hinweg bei Speis und Trank. Ja, es hat sogar bei diesen Begegnungen so gefunkt, dass daraus die ein oder andere Ehe mit Nachwuchs entstanden ist. Die letzten Monate seines Lebens musste Mohamed Herzog krankheitsbedingt in einer Pflegeeinrichtung verbringen.

Am 18. Mai, also im gesegneten Monat Ramadan, ist Mohamed Herzog zu seinem Schöpfer zurückgekehrt. Am 25. Mai fand das Totengebet für ihn in der Sehitlik-Moschee statt. Dort, wo er jahrzehntelang Schulklassen, Polizeischüler und Bundeswehrangehörige sowie VHS-Gruppen geführt hatte. Für viele Besucher oft ihre erste Begegnung mit dem Islam. Mohamed Herzog setzte man auf dem „Zwölf-Apostel-Kirchhof“ in Berlin-Schöneberg bei. Die Friedhofsverwaltung dieses evangelischen Friedhofs erteilte eine Sondergenehmigung. Mit Richtung Mekka liegt sein Haupt auf diesem Friedhof begraben, der nur wenige Fußschritte vom „Interkulturellen Haus“ entfernt liegt. Bei seiner Beerdigung trafen sich Muslime und Religionsvertreter zahlreicher anderer Religionen sowie Freunde an seinem Grabe. Unter ihnen auch der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek und die beiden Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Staatssekretärin a. D. Emine Demirbüken-Wegner (CDU) und Hakan Tas (DIE LINKE).

Aiman Mazyek sagte: „Mohamed Herzog war in Berlin die Stimme der deutschen Muslime. Mit ihm konnte man auf humorvolle Weise auch schwierige Themenbereiche ansprechen. Diese Stimme werde ich vermissen.“ Emine Demirbüken-Wegner erklärte: „Obwohl ich als Kind einer islamischen Familie entstamme, es war Mohamed Herzog, der mir viele islamische Sachverhalte liebevoll und in einer sehr toleranten Weise erklärt hatte. Er hatte seine Türen für alle Menschen, unabhängig von deren Nationalität oder religiösem Bekenntnis, geöffnet. Er war gelebte Integration.“ Hakan Tas „verlor einen sehr hilfsbereiten Menschen, Freund und Nachbarn. Wir haben jahrelang in ein und demselben Haus als Nachbarn gewohnt. Mohamed Herzog wird immer unvergessen bleiben. Ein friedvoller Mensch, der sich auch immer für den Frieden eingesetzt hatte.“

Ein hinduistischer Geistlicher sprach an dem Grabe ein Totengebet und dann trug sich etwas zu, was Mohamed Herzog gefallen haben dürfte. Ein Rabbiner wollte das Kaddischgebet sprechen. Es fanden sich aber nicht 10 männliche Juden zusammen, die dazu benötigt werden. Also wurden die fehlenden Juden durch Muslime, Christen und Hindus ersetzt. Der Rabbiner blickte in den Himmel und meinte: „Ich kenne jemanden, der wird mir dieses Vorgehen schon verzeihen.“

Am 3. Juni fand wieder auf dem Berliner Gendarmenmarkt das einmal im Monat stattfindende „Interreligiöse Friedensgebet“ statt. Dort sagte Christian Herwartz, katholischer Priester und Ordensangehöriger der Jesuiten: „Mohamed Herzog ist Gründungsmitglied des Interreligiöse Friedensgebets. Er war der Ruhepunkt des Interreligiösen Gebets. Wir alle hier, egal welcher Religion wir angehören, verlieren einen sehr liebenswerten Mitstreiter für Frieden und für religiöses Verständnis. Mohamed wird immer in unseren Herzen bleiben. Wir haben ihm viel zu verdanken.“ (Volker-Taher Neef, Berlin)