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Freitag, 17.06.2016
Zwischen Terror und Laizismus
Die Freuden der EM stehen der Angst vor Anschlägen gegenüber
Frankreich steht im Zeichen der Fußball-Europameisterschaft. Zugleich ist die Angst vor islamistischem Terror spürbar. Die Kirche ruft zu Fairness und Friedlichkeit auf.
Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich hat begonnen. Die französischen Bischöfe wünschten zum Auftakt den Fans aller Länder viele friedliche «Freuden-Momente». Katholische Gemeinden hätten Initiativen für Jugendliche und Menschen, die alleine sind, gestartet, um die Spiele gemeinsam zu schauen. Die Fußball-Europameisterschaft symbolisiere Werte wie Solidarität und Gemeinschaft, die dringend in unserer Gesellschaft gebraucht würden, so die Bischöfe. Ihr Appell an die Fans: Seid fair zueinander und lasst die Gegner zu Freunden werden. Einen offiziellen Eröffnungsgottesdienst gab es jedoch nicht. Denn seit Jahren sind Kirche und Staat in Frankreich strikt getrennt. Religion ist Privatsache. Doch mit den Terroranschlägen im vergangenen Jahr ist auch eine Debatte über den Laizismus entfacht.
«Der Laizismus ist keine Antwort auf den Terrorismus», sagte Islam-Experte Olivier Roy in einem Interview im April 2015 mit der französischen Zeitung «Les Echos» nach den Terroranschlägen auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo». Roy erklärte, dass es einen «autoritären Laizismus» in Frankreich gebe. Es müsse wieder eine «Kultur» der Diskussion in den Schulen eingeführt werden, damit ein Dialog zwischen den Religionen und der Gesellschaft entstehen könne. Oft werde vergessen, dass das Gesetz von 1905 über die Trennung von Kirche und Staat die Freiheit der Religionsausübung im öffentlichen Raum gewährleiste. «Es erfordert Neutralität vom Staat, nicht von der Gesellschaft», sagte Roy.
Der Islam-Experte spricht sich auch gegen das Kopftuchverbot an Universitäten aus. Im Gegensatz zu Schülerinnen seien Studentinnen Erwachsene und könnten frei und eigenständig über Religion entscheiden. Das Prinzip der Religionsfreiheit bedeute auch individuelle Freiheit. Wenn jemand ein Kopftuch trage, störe das nicht die Funktion der Institution und sei auch kein «Bekehrungseifer». Verschiedene Organisationen kritisieren immer wieder, dass Muslime durch das Kopftuchverbot von der Arbeit in einer öffentlichen Behörde ausgeschlossen würden.
Ende Mai veröffentlichte die staatliche Beobachtungsstelle für Laizismus in Frankreich ihren Jahresbericht 2015. Tenor: Das Problem ist nicht das Konzept des Laizismus, sondern die Interpretation. Der Präsident der Beobachtungsstelle, Jean-Louis Bianco, sagte der französischen Zeitung «La Croix», er stelle fest, dass viele Interpretationen Verbote seien, die sich um das Tragen des Kopftuches drehten. «Für mich scheint das gefährlich und kontraproduktiv», sagte Bianco. Zudem gebe es einen großen Unterschied zwischen dem, was in der Praxis passiere, und der Mediendebatte, die zu oft den Laizismus instrumentalisiere.
Die Behörde hätte das Problem des politischen Islams nicht unterschätzt, sondern es von Beginn an angesprochen, sagte der Präsident der Beobachtungsstelle. «Der politische Islam, der sich gegen demokratisches Recht stellt, muss bekämpft werden.»