Trafen sich auf der Internationalen Tagung des BMZ: Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman und ZMD-Vorsitzender Aiman Mazyek
Internationale Tagung des Entwicklungsministeriums will Kooperation mit Religionen ausbauen
ZMD lobt Kooperation und sieht auch kritische Punkte – Zahlreiche Würdenträger der Religionen waren gekommen, sowie Friedensaktivisten, wie die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fühlt sich dem "Weltethos"-Projekt des Theologen Hans Küng verbunden. Seine Entwicklungspolitik ist von Küngs Idee beeinflusst, einen Konsens der Religionen in Wertefragen zu erzielen. Eine neue Strategie seines Ministeriums sieht nun eine systematischere Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften in den Partnerländern vor. Am Mittwoch will Müller das Papier auf einer Konferenz in Berlin vorstellen. "Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen", zitiert Müller Küng in seiner Einleitung. Das zweitägige Treffen steht unter dem Motto "Partner für den Wandel - Religionen und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung".
Zahlreiche Hilfswerke vertreten Hauptredner war u.a. der Generalsekretär des Weltkirchenrats (ÖRK), Olav Fykse Tveit. Außer ihm kamen auch die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman , der libanesische Großmufti, Scheich Abdul Latif Derian, und der pakistanische katholische Erzbischof Sebastian Francis Shaw, oder etwa der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek. Darüber hinaus waren zahlreiche Hilfswerke, darunter Misereor, Brot für die Welt und Islamic Relief vertreten. Schon Ende März 2015 hatte das Entwicklungsministerium die Broschüre "Die Rolle von Religion in der deutschen Entwicklungspolitik" veröffentlicht. Gleich auf der zweiten Seite wird Müller darin mit den Worten zitiert: "Religion kann Brücken bauen und Menschen motivieren, sich für Andere und die Umwelt einzusetzen. Dieses Potenzial haben wir viel zu lange vernachlässigt." Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung fühle sich einer Religion zugehörig. Das werde im teils stark säkularisierten Europa oft vergessen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU): "Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen"
Strategischer Kontakt mit religiösen Organisationen
Das Strategiepapier ist die gewünschte Fortsetzung dieses Ansatzes. Die deutsche Entwicklungspolitik sei "weltanschaulich neutral - sie ist allerdings nicht Werte-neutral", schreibt Müller im Vorwort. Die Kraft der Religion könne Menschen zusammenführen, selbst wenn im Namen von Religionen auch viel Leid und Elend über Menschen gebracht worden sei. Das Ministerium will seine Kooperationspartner gezielt auswählen und die Zusammenarbeit regelmäßig evaluieren. Als Partner kommen laut Strategiepapier religiöse Akteure infrage, die grundsätzlich menschenrechtliche Standards achten und entwicklungsorientiert arbeiten. Zudem sollen sie Kompetenz und organisatorische Fähigkeiten vorweisen können. Auch sollten sie das Vertrauen der lokalen Bevölkerung genießen. Es könnten aber durchaus auch Kritiker "westlicher Werte" sein, heißt es weiter. Wichtig sei eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, ohne eine bestimmte Religion zu bevorzugen. Auch nicht religiöse Organisationen sollen weiterhin gleichermaßen einbezogen werden. "Wir führen kein 'Religion-Mainstreaming' ein", heißt es. Manchmal sei es auch zielführend, den "Faktor Religion" bewusst außen vor zu lassen.
Die Gefahr des Missbrauchs der Religionen
In den Arbeitsgruppen kamen allerdings auch die Schwierigkeiten zur Sprache: Wenn etwa Religion zur Ideologie und zum "Opium für das Volk" wird, wie Spiegel ausführte. Dies dürfe nicht verschleiert werden. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sprach vom "Unfriedenspotenzial" durch den Missbrauch der Religion. Für Müller gilt in diesem Falle: "Wo Religion Teil des Problems ist, muss sie Teil der Lösung werden." Ziel der neuen Strategie ist es, durch das Fördern von moderaten Kräften langfristig Extremisten den Boden zu entziehen. Wie aber verhält sich die Strategie zum Gebot staatlicher Neutralität? Deutsche Entwicklungspolitik sei "weltanschaulich neutral - sie ist allerdings nicht Werte-neutral", so Müller. Mazyek sprach mit Blick auf die Strategie von einem "schmalen Weg, der richtig und wichtig ist": Es ist der Weg zwischen einer religiösen Aufladung von Politik und einer Instrumentalisierung von Religion. Dogmatische Inhalte sollen keine Rolle spielen, heißt es. Bedacht werden sollen aber nur jene Glaubensgemeinschaften, die den Kriterien des BMZ entsprechen.
Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und Partizipation
Sie müssen "Netzwerk und Reichweite" haben und menschenrechtliche Standards achten, einschließlich der "Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit und Partizipation". Wie ist dies aber auf Religionsgemeinschaften zu beziehen? "Die Bewertung und Anwendung der Kriterien muss im jeweiligen Kontext erfolgen", heißt es allgemein. Markus Büker, der Experte für theologische Grundsatzfragen bei Misereor, sah die Gefahr einer Vereinnahmung. Konflikte gebe es etwa bei den umstrittenen "sexuellen und reproduktiven Rechten" oder den Rechten von lesbisch-, schwul-, bi-, trans- und intersexuelle Personen. Ebenso kritisch bewertete er das Wachstumsparadigma der SDGs. Religionen bescheinigt das Papier ein positives wie negatives Potenzial. Wer aber befindet darüber? Ein "Religions-Mainstreaming" sei nicht vorgesehen, beteuert das BMZ. Dennoch finden sich auch hier die Ambivalenzen zwischen einem bestimmten menschenrechtlichen Ansatz und dem Selbstverständnis der Religionen wieder - wie schon beim Weltethos-Projekt