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Donnerstag, 18.02.2016
"Unsichtbares sichtbar machen"- Ein Film über den Weg eines libanesischen Flüchtlings
Direkt am Flughafen Tegel befindet sich die kleine Meteorstraße im Berliner Bezirk Reinickendorf. Von hier aus kann man startende und landende Flugzeuge sehr gut aus nächster Nähe beobachten. Die „Meteorstraße“ gab dem deutschen Spielfilm den Titel. Unter der Regie der Französin Aline Fischer, die auch für das Buch verantwortlich zeichnet, wurde das 84 Minuten lange Werk bei der 66. Berlinale in der Sparte „Perspektive Deutsches Kino“ vorgestellt. Diese Sparte sagt ausdrücklich: „Unsichtbares sichtbar machen. Was sich nicht sagen lässt, soll man zeigen.“
Mohamed (Hussein Eliraqui) ist 18 Jahre alt und kommt aus dem Libanon. Er hat eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und lebt mit seinem 27 Jahre alten Bruder Lakhdar (Oktay Inanc Özedmir) in der Meteorstraße. Mit den startenden und landenden Flugzeugen verbindet vor allen Dingen Mohamed viele Hoffnungen. Die Eltern sitzen nicht in einer aus Nahost ankommenden Maschine, obwohl er sich das so sehr wünscht. Sie wurden abgeschoben. Also teilt er am Telefon dem Vater mit: „Ich komme zu Euch.“ Der Vater lehnt das eindringlich ab, nicht weil er das Kind als Belastung ansieht, sondern um es zu beschützen. „Ihr habt Frieden in Deutschland, hier ist jeden Tag Krieg.“ Der Sohn käme in ein Land, das durch die Unruhen in dieser Region immer mehr im Chaos versinkt.
Der Vater, den man im Film nie sieht und nur dessen manchmal strenge, manchmal mit Tränen erfüllter Stimme hört, berichtet Mohamed, er selber wisse nicht, wie es bei ihm zuhause weitergeht und ob die Eltern morgen noch Nahrung, Strom und fließend Wasser haben werden. In dieses Elend brauche der Junge nicht hinabzusteigen. Der Vater gibt ihm auch den Rat, sich von seinem großen Bruder fernzuhalten. Im Film sieht man, wie Lakhdar als regelrechter Taugenichts durch das Leben zieht. Er kifft sehr gerne und geht keiner geregelten Arbeit nach. Von was er seinen Lebensunterhalt bestreitet, erfährt der Zuschauer nicht.
Mohamed dagegen ist in einer Zweiradwerkstatt tätig. Der Inhaber des Betriebes ist der ruppige Achim (Bodo Goldbeck). Nebenbei: Solche Drehbücher schreibt nur das Leben: Der 1965 geborene Schauspieler hat vor dem Besuch der Schauspielschule tatsächlich das Handwerk Zweiradmechaniker erlernt! Mohamed verbindet mit Achim ebenfalls eine Hoffnung, die auf eine Lehrstelle. Der Werkstattbesitzer gibt dem Schützling immer „demnächst“ oder in „2 bis 3 Wochen den Lehrvertrag.“ Nichts bewegt sich wirklich, für 5 Euro auf die Hand schuftet er als Bauhelfer und Gärtner und „Mädchen für alles“ in der Werkstatt und auf dem Betriebsgelände. Niemand will Mohamed haben, so sein Eindruck. Der Vater nicht, der Bruder geht eigene und kriminelle Wege, Achim nutzt ihn nur aus, wie soll sein Leben weitergehen?
Er ist noch ein Jugendlicher und noch kein Erwachsener, man spürt regelrecht, wie er groß und stark sein möchte und niemanden hat, an den er sich wenden kann. Er, der Kleine, sorgt für seinen großen Bruder. Mohamed hält das Haus in Ordnung, kauft ein, kocht zu Hause und bringt regelmäßig den Lohn auf den Tisch. Von Lakhdar hat er nichts Gutes zu erwarten. Man sieht auch, wie der Kleine regelmäßig den Gebetsteppich auslegt und alle Gebete verrichtet.
Sein Bruder genießt das Nachtleben Berlins, besonders die Rotlichtviertel ziehen ihn magisch an. Eine Szene zeigt, wie auch Mohamed in eine Gaststätte geht. Dort soll er mit Arbeitskollegen „ordentlich einen zur Brust nehmen.“ Der Junge trinkt Bier-allerdings alkoholfreies. Man sieht ihn am Tresen sitzen und er liest sich ganz genau das Etikett der Bierflasche durch, ob dort auch wirklich kein Alkohol enthalten ist. Ein Arbeitskollege berichtet allen Anwesenden von seiner schönen Vergangenheit. In Frankreich bei der Fremdenlegion gab es Zucht, Ordnung, Männerfreundschaften und regelmäßig sowie pünktlich Sold. Es war eine fantastische Zeit für ihn und eine Ehre, das weiße Käppi der Legion getragen zu haben. Das ist die Schlüsselszene des Werkes.
Mohamed wird danach noch gedemütigt am Arbeitsplatz, ein Mitarbeiter warnt Achim sogar „vor diesem Araberpack. Die klauen doch nur.“ Zufällig hört Mohamed, wie dieser Kollege den Chef Achim auffordert, „den Typen endlich rauszuschmeißen.“
Kurz vor Ende des beeindruckenden Werkes geht es für den Jungen von der Meteorstraße zum nahegelegenen Flughafen Tegel. Er steigt in eine Maschine. Am Anfang weiß man noch nicht, wohin die Reise geht. Dann steht der Junge aus dem Libanon, der in Berlin lange lebte und arbeitswillig war und die deutsche Sprache perfekt beherrschte, vor dem Eingangstor einer Kaserne der Fremdenlegion. Hier wohl sucht er nach dem, was er in Berlin nicht vorfand.
Das Sozialdrama „Meteorstraße“ belegt auch so ganz am Rande, wie gute Integration aussieht! Die Regisseurin stammt aus dem Elsass, die Französin hat erfolgreich in Deutschland ihr filmisches Können studiert. Hauptdarsteller Hussein Eliraqui kam mit 11 Jahren aus Palästina nach Deutschland. Der Schauspieler Özdemir kam „in Berlin als Kind von klassischen türkischen Einwanderern zur Welt“, wie er selber auf der Pressekonferenz mitgeteilt hatte. In der Sparte „Perspektive deutsches Kino“ lief das Werk. Ganz großes Berlinale-Kino „Made in Germany.“
Wie steinig der Weg aber oft ist und immer noch sein wird, belegte Hussein Eliraqui auf der Pressekonferenz. „Ich habe alle deutschen Schulabschlüsse erreicht, bevor ich die Schauspielschule besuchte. Oft war ich für die Mitmenschen nur „der Heimatlose“ oder „der Steinewerfer aus Palästina.“ Mir sieht man an, ich bin von Natur aus nicht deutsch.“
(Volker-Taher Neef, Berlin)