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Montag, 20.07.2015
Erstmalig Id-Fest fern der Heimat
Flüchtlinge sprechen im Rahmen der ZMD-Flüchtlings-Aktion von ihren Ängsten und Nöten
Köln (KNA) Die Hände sind zum Gebet erhoben, auf den Tischen stehen
halbleere Teller. In manchen Augenwinkeln glitzern Tränen. Der Imam
und seine Gemeinde beten für die Flüchtlinge dieser Welt. Rund 20
sind an diesem letzten Abend des Ramadan zum Fastenbrechen in eine
Kölner Moschee gekommen, bevor drei Tage lang bis zu diesem Sonntag
das Ende des muslimischen Fastenmonats gefeiert wird. Unter den
Gästen ist auch Abdulrahman Hussein, der einmal eine Schneiderei im
syrischen Damaskus besaß. In friedlicheren Zeiten.
Wie alle anderen Besucher des Mahles am späten Donnerstagabend hat
der 33-Jährige eine Linsensuppe, Kartoffeln, Fleischbällchen, Salat,
Reis und Melone bekommen. Abdulrahman Hussein sitzt mitten unter all
den Menschen und sagt: «Ich bin alleine hier.» Er erzählt, dass er
seit fast einem Jahr in einem Heim in Leverkusen bei Köln wohne - und
darauf warte, seine Frau und die beiden Töchter nachholen zu können.
Die Familie sitze in Erbil im Nordirak fest. Von dort hat der Vater
seine Odyssee durch mehrere Länder in Lastwagen und Auto nach
Deutschland gewagt, wie er erzählt. Er habe eine fünfstellige Summe
dafür bezahlt. Ein anderer Syrer, der schon länger in Leverkusen
wohnt, hilft mit dem Übersetzen, wenn Abdulrahman Hussein hin und
wieder die Worte fehlen.
Die Geflohenen, die in Leverkusen und Umgebung leben, sind der Aktion
«Deutschland sorgt für Flüchtlinge» des Zentralrats der Muslime in
Deutschland gefolgt. Das Projekt in mehr als 25 Städten bundesweit
war eine Premiere, sagt der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek.
Zum allabendlichen Fastenbrechen während des Ramadan, der am 18. Juni
begonnen hatte, hätten sich Muslime und Christen, Einheimische und
Flüchtlinge, Unbekannte und prominente Politiker an einen Tisch
gesetzt - in Moscheen oder sogar in Zelten wie in Braunschweig.
Mazyek schätzt, dass weit über 5.000 Flüchtlinge teilgenommen hätten.
«In diesem Jahr wollten wir den Schwerpunkt auf die Bedürftigkeit von
Flüchtlingen legen», erklärt der Vorsitzende. Im Mittelpunkt hätten
Begegnungen und «seelische Hilfe» gestanden - der Fastenmonat sei
dafür eine besonders gute Zeit. «Ich habe den Eindruck, dass das sehr
gut angenommen wurde.» Schutzsuchende aus vielen Ecken der Welt
hätten die Gemeinschaft und ein «kleines bisschen Heimat für den
Abend» gesucht, egal welcher Konfession, betont Mazyek.
Zu der offenen Atmosphäre, die er beschreibt, passen die Äußerungen
von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Anfang Juli. Sie hatte
bei einem Fastenbrechen in Berlin zu mehr Offenheit im Umgang mit
anderen Religionen und Kulturen aufgerufen. Nicht nur die Kanzlerin,
sondern auch andere hochrangige Bundes- und Landespolitiker hatten
sich in den vergangenen Wochen bei abendlichen Ramadan-Essen gezeigt.
Gemeinsamkeiten wollte auch das Erzbistum Berlin mit einer Einladung
an Muslime und Christen zum Fastenbrechen aufzeigen - und musste
Kritik einstecken. Mazyek sieht das anders. Er habe keine Vorbehalte
dagegen, dass beispielsweise Christen so ein Ereignis veranstalteten.
Der Islam-Experte Thomas Lemmen sagte hingegen, er halte nichts
davon, dass Politiker zum Fastenbrechen einladen. Dies widerspreche
unter anderem der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
In der Kölner Moschee der gastgebenden Union der Türkisch-Islamischen
Kulturvereine (Atib) meint Mustafa Gölcük, dass es keine Frage der
Religionszugehörigkeit sei, jemandem unter die Arme zu greifen. Es
sei ganz einfach: «Man soll dem Nächsten helfen.»
Gölcük ist stellvertretender Vorsitzender des nordrhein-westfälischen
Landesverbandes des Zentralrates und betont, dass nicht nur an diesem
letzten Fastenbrechen Flüchtlinge in die Atib-Räume gekommen seien.
Das Ziel sei, ihnen Integrationshilfe und Unterstützung bei Fragen
rund um das Leben in Deutschland anzubieten, auch langfristig. «Es
soll nicht mit dem Fastenbrechen enden.»
Das Gesicht von Abdulrahman Hussein ist voller Sorge - um seine
Familie, die er sehnsüchtig erwartet, und Verwandte, die nach wie vor
in Syrien leben. «Wir brauchen Hilfe in Syrien.» Er und sein
syrischer Begleiter sind sich einig, dass die Staaten der Welt
zusammenarbeiten müssten, um Gewalt und Krieg endlich zu beenden.