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Mittwoch, 24.06.2015

NRW kassiert verfassungswidriges Kopftuchverbotsgesetz

Wichtiges Signal für andere Bundesländer: Grosse fraktionsübergreifende Mehrheit will nicht, dass die muslimische Frau weiter einem Berufsverbot ausgesetzt ist

Tragen eines Kopftuchs für muslimische Lehrerinnen in den Schulen des
Landes künftig erlaubt. Für die Gesetzesänderung votierten am
Mittwoch SPD, Grüne, CDU und die Piratenfraktion. Nur die FDP stimmte
dagegen. Damit zog das Landesparlament in Düsseldorf die Konsequenzen
aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein
grundsätzliches Kopftuch-Verbot an Schulen für unzulässig erklärt
hatte.

In ihrem sogenannten «Kopftuch-Urteil» hatten die Karlsruher Richter
am 13. März die Privilegierung christlicher Werte im NRW-Schulgesetz
für rechtswidrig erklärt. Bisher hatte das Bundesland sein generelles
Kopftuch-Verbot für muslimische Lehrerinnen genau auf diesen
Gesetzespassus gestützt. Dagegen urteilte das
Bundesverfassungsgericht, dass das Tragen eines Kopftuchs oder
sonstiger religiöser Symbole einer Lehrkraft nur dann verboten werden
dürfe, wenn davon im Einzelfall «eine hinreichend konkrete Gefährdung
für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität» ausgehe.

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) erklärte im Landtag, mit der
Gesetzesänderung werde «der gewachsenen Vielfalt und der religiösen
Pluralität» zu ihrem Recht verholfen. Wenn künftig der Schulfrieden
durch das Tragen oder die Verwendung religiöser Symbole gefährdet
werde, würden die betroffenen Schulen «nicht alleine gelassen»,
versicherte die Ministerin. Die Schulaufsichtsbehörden seien
angewiesen, sich in solchen Konfliktfällen beratend und unterstützend
vor Ort einzuschalten. Allein aufgrund eines Kleidungsstückes könne
keine abstrakte Gefahr unterstellt werden, sagte Löhrmann.

CDU-Fraktionsvize Klaus Kaiser betonte, sämtliche Neuregelungen des
Schulrechts seien «im vollen Einvernehmen» mit den Kirchen gefasst
worden. Nach der parlamentarischen Anhörung sei der Gesetzentwurf auf
Anregung der Kirchenvertreter weiter konkretisiert und im Detail
abgestimmt worden. Dies mache die Feststellung in dem Gesetzestext
deutlich, dass «die Schule ein Raum religiöser wie weltanschaulicher
Freiheit» sei. Im Übrigen werde durch die Betonung der Besonderheit
des Religionsunterrichts und der Bekenntnisschulen künftig «ein noch
größerer Freiraum» für religiöse Überzeugungen gesichert.

Dagegen sieht die FDP in der Gesetzesänderung einen «untauglichen
Versuch», angemessen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu
reagieren. Der Landtag komme damit seiner Verantwortung für das
Schulwesen nicht nach, sagte die FDP-Bildungsexpertin Yvonne Gebauer.
Den Schulen werde die Verantwortung zur Feststellung einer konkreten
Gefährdung des Schulfriedens im Einzelfall aufgebürdet.

Neben den Konsequenzen aus dem Kopftuch-Urteil regelt das neue
Schulgesetz für NRW, dass Realschulen ab der siebten Klasse einen
Hauptschulbildungsgang vorsehen müssen. Der Landtag reagierte damit
auf die zunehmende Schließung von Hauptschulen. In der Vergangenheit
seien dadurch individuelle Bildungsverläufe gefährdet worden, wenn
Realschüler vor der Abschulung in die Hauptschule gestanden hätten.