Dienstag, 29.06.2004
Ahmed und Rashida Bouklia, Franzosen marokkanischer Abstammung, erinnern sich noch lebhaft an die Vorfälle in Straßburg. Rashida gibt bereitwillig Auskunft: „Das Grab unseres Sohnes ist unversehrt geblieben, aber in den benachbarten Abteilungen sind fünfzig Gräber geschändet worden. Wir können uns die Vandalenakte nicht erklären. Es ist nicht normal, dass man Tote nicht in Ruhe lässt. Jeder Versuch eine Erklärung zu finden würde den Tätern ein kleines bisschen Respekt verschaffen“ sagte sie. „Das Böse kann man nicht verstehen, man erschauert nur davor.“
Die neuesten Vorfälle in Strassburg und Elsass belegen die zunehmenden rassistischen Angriffe auf Muslime, Araber und Asiaten, sowie auf Juden. Ein misslungener Brandanschlag auf eine Moschee in Haguenau bei Straßburg, ein ähnlicher Angriff auf eine Moschee in Meinau, die verschmierten Fassaden eines muslimischen Lebensmittelladens und die Schändung 130 jüdischer Gräber in Herrlisheim bei Colmar, stellen lediglich den Anfang der Anschlagsserie dar.
Ende Mai verübten die Täter einen weiteren Anschlag auf das Haus eines führenden Mitglieds der muslimischen Gemeinde. In der vergangenen Woche haben die Angreifer ihre Angriffserie fortgeführt, indem sie auf muslimische Grabmähler und Mauern eines muslimischen Friedhofs rassistische Parolen, wie „Heil Hitler“, „Quitter lÁlsace“ und „White Power“ geschmiert und somit rund 50 muslimische Gräber geschändet haben. Auf der Mauer, die den muslimischen Teil des Friedhofs von einem Wald abgrenzt, ist eine Todesdrohung gegen den Präsidenten des Rats der muslimischen Gemeinde im Elsass zu lesen gewesen.
Farbe und Parolen, sowie wiederholte Rechtsschreibfehler weisen eine einheitliche Täterschaft auf. Trotz der zahlreichen Wiederholungen wird über die Urheberschaft weiter gerätselt. Pierre Levy, der Elsässer Delegierte des Repräsentativrats der jüdischen Körperschaften Frankreichs (CRIF), möchte nicht ausschließen, dass die Täter aus Deutschland über die nahe Grenze kommen. Erschreckend groß ist allerdings auch die Anhängerschaft rechtspopulistischer Parteien in Elsass, so dass eine einheimische Täterschaft ebenfalls in Betracht gezogen wird. Bei den Regionalwahlen im vergangenen März erhielten die nationalistischen Parteien insgesamt 28 Prozent der Stimmen und dies, nachdem sie einen grundlegend fremdenfeindlichen Wahlkampf führten, in dem unter anderem suggeriert wurde, dass zur traditionellen elsässischen Tracht bald auch der Tschador gehören werde.
Die Bedrohung durch rassistische Angriffe steigt, wie in diesen Fällen auch zu sehen ist, stetig. Es nimmt zunehmend auch eine organisierte und politische Form an. Dieser Umstand schürt Ängste und Unsicherheit in der Bevölkerung. Aber auch der Alltagsrassismus hat eine enorme Bedeutung für das Leben eines Muslims angenommen. Die mögliche Ausgrenzung der Kopftuch tragenden Frau aus dem öffentlichen Leben, insbesondere durch Verbotsgesetze bedingte Aussonderungen, führen zu einem neu zu definierenden „Rassismus“, der in der politischen Arena kaum Berücksichtigung findet. Besonders durch Politisierung der Thematik nimmt der Alltagsrassismus eine gewaltige Dimension an, wobei auch zu befürchten ist, dass dadurch die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien, ähnlich wie in Elsass, an Zuwachs gewinnt. (von Bekir Altas aus www.igmg.de/29.6.04)