Montag, 15.12.2003
Ein Kosmetikhersteller will keine Türkinnen mehr einstellen. Ein Arbeitsgericht sah keinen Verstoß gegen Grundgesetz und EU-Richtlinien und gab ihm Recht.
VON I. MÜLLER-MÜNCH (KÖLN)
Türkische Arbeitnehmerinnen gab es zuhauf unter den 150 geringfügig Beschäftigten des Wuppertaler Kosmetikherstellers Titania. Doch dann bewarben sich auf eine Anzeige des Unternehmens so viele Interessentinnen, dass der Chef seinen für Personal zuständigen Manager anwies, keine Türkinnen mehr einzustellen.
Das wiederum konnte dieser, der 35-jährige Holger M., nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und weigerte sich, dem zu folgen. Nach tagelangen heftigen Debatten wurde ihm fristlos gekündigt. Begründet wurde dies mit Arbeitsverweigerung. Eine fristgerechte Kündigung folgte auf dem Fuße.
Dies geschah am 1. Oktober. Holger M. klagte, da er den Befehl seines Chefs als diskriminierend empfand und sich - wie er glaubte - völlig zu Recht dagegen wehrte. Dann könne man ja demnächst genauso gut jemandem "wegen seiner Haarfarbe oder seiner Schuhgröße" einen Job verweigern, argumentierte er am Donnerstag vor Journalisten.
Er habe es als seine "Bürgerpflicht" angesehen, die Menschenrechte zu wahren und die diskriminierende Anweisung abzulehnen, sagte M. weiter. Vor allem, da sie seiner Erfahrung nach nichts mit der Qualifikation türkischer Arbeitnehmerinnen zu tun hatte.
Denn mit diesen geringfügig Beschäftigten hatte das Unternehmen seiner Erfahrung nach bislang stets gute Erfahrungen gemacht. Die Frauen zeigten sich einsatzbereit, kamen selbst an Wochenenden. Deshalb empfand er die Anweisung, keine Türkinnen mehr einzustellen, als ungerechtfertigte Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.
Der Solinger Anwalt des Managers, Horst Esser, verwies während der mündlichen Verhandlung am Dienstag vor dem Wuppertaler Arbeitsgericht auf den Gleichheitsartikel 3 des Grundgesetzes und die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU. Danach darf niemand auf Grund von Rasse oder ethnischer Herkunft benachteiligt werden. Sein Mandant hätte gar nicht erst in einen solchen Konflikt gestellt werden dürfen, "der gegen die Grundlagen ethischer Zielsetzung der Gesellschaft verstößt", erklärte Esser während der mündlichen Verhandlung (Az.: 3Ca4927/03).
Der Geschäftsführer der Kosmetikfirma verteidigte hingegen seine Anweisung, zukünftig keine türkischen Arbeitnehmerinnen mehr einzustellen. Als Unternehmer dürfe er doch wohl noch selbst entscheiden, wer bei ihm arbeite.
Außerdem seien von Angehörigen türkischer Arbeitnehmerinnen Drohungen gegen ihn und seine Familie ausgesprochen worden - somit, meinte der Geschäftsführer wörtlich, von Seiten "einer bestimmten Nationalität".
Richter Ulrich Tittel, Direktor des Wuppertaler Arbeitsgerichts, wies während der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass es in der Bundesrepublik noch kein Antidiskriminierungsgesetz gebe - außer bezogen auf Diskriminierung wegen Geschlechtszugehörigkeit. Und dass jeder Unternehmer selbst entscheiden könne, wen er einstelle und wen nicht. Genauso wie Diskothekenbesitzer durch ihre Türsteher bislang unbehelligt aussieben dürften, ob zum Beispiel männliche türkische Jugendliche in die Disko gelassen oder ihnen der Zutritt verwehrt werde.
In seinem Urteil entschied der Richter daher folgerichtig, dass der Kündigungsgrund und damit eine fristgemäße Kündigung von Holger M. zum Ende des Jahres gerechtfertigt sei.