Sonntag, 24.02.2002
Freies Wort Lokales 23.2.2002
Uta Müller hat den Jenaer Preis für Zivilcourage erhalten Allein gegen vier - sie stellte sich dem Pöbel entgegen
Von Jens Voigt
In der Rathausdiele von Jena gab es Sekt, Musik und Reden. Sogar der Oberbürgermeister sprach, den sie noch nie hat reden hören, denn so weit oben sind ihre Kreise eigentlich nicht. Und alles wegen ihr. Uta Müller, seit fünf Jahren raus aus dem Job, eine fröhliche Rentnerin, die viel liest, gern wandert und kaum einen populärwissenschaftlichen Vortrag an der Uni auslässt.
Die Sache passierte im März. Jena, Stadtlinie 10, nachmittags. Frau Müller sitzt mit einer Bekannten im Bus. Sechs Leute steigen zu: Ein älterer Herr mit offenbar arabischer Begleiterin, die ein Kopftuch trägt. Dazu drei Männer und eine Frau, alle um die zwanzig bis dreißig, sehr laut und sehr deutsch. Das Quartett pöbelt die Araberin an: "Nimm das Tuch ab, du bist hier in Deutschland!" Weitere einschlägige Sprüche folgen. Das Paar schweigt. Der Fahrer fährt. Frau Müller, klein, zierlich, weißhaarig, steht auf. Läuft in den Gang und sagt zu den vieren: "Sie sind so groß und stark, das haben Sie doch gar nicht nötig." Die Meute schweigt baff.
Nur einer, der Wortführer wohl, fragt höhnisch, woher wohl das Geld für ihre Rente kommen wird, wenn das - er weist auf die Ausländer - so weiter ginge. "Wenn diese Leute bei uns bleiben, dann vielleicht von ihren Kindern", antwortet sie und setzt sich ganz ruhig wieder hin. An der nächsten Haltestelle steigen die Krakeeler aus. Der ältere Mann dankt Uta Müller und meint, Ausländer müssten halt mit so etwas leben. Nein, sagt sie, das müssen sie nicht. Und steigt aus.
Der Busfahrer macht eine Meldung. Die Polizei sucht Zeugen. Eine Zeitung fragt: Wer ist diese weißhaarige Frau, die einen ägyptischen Professor und seine Begleiterin, liebe Gäste unserer weltoffenen Stadt, geschützt hat vor brüllenden Überdeutschen? Uta Müller erfährt von all dem zunächst nichts. Tage später trifft sie zufällig das Paar wieder. Sie möge doch als Zeugin sich bei der Polizei melden, bittet der Professor. Sie tut es, schaut Bilder an: Der und der und die!
Später wird sie erfahren, dass der Wortführer die Polizisten fast erleichtert empfängt: "Ich hab' euch schon erwartet, hab