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Donnerstag, 04.12.2014
Deutsche entlarven oft ihre antidemokratischen und rassistischen Züge
Laut einer Studie meinen viele, dass Muslime nicht zu Deutschland dazu gehören. Die Autoren warnen davor, dass Vorurteile in Gewalt umschlagen kann
In der nicht muslimischen Bevölkerung herrscht verbreitet die Auffassung, dass Muslime anders seien - nicht richtig deutsch. Und sie sollten hier eigentlich auch keine Forderungen stellen. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen Studie "Deutschland postmigrantisch" des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Die Forscher haben sie an diesem Mittwoch in Berlin gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), vorgestellt.
Ein Team um die Wissenschaftlerin Naika Foroutan hat mehr als anderthalb Jahre an der Untersuchung gearbeitet und mehr als 8000 Personen befragt: 27 Prozent der Befragten denken demnach, Muslime seien "aggressiver als sie selber". 30 Prozent glauben, dass Muslime weniger bildungsorientiert seien. Muslimisch und deutsch würden oft als Gegenkategorien wahrgenommen und "Muslime aus dem 'deutschen Wir' herausdefiniert".
Ein Fünftel der Befragten bewertet es als negativ, wenn Muslime Forderungen in Deutschland stellen. So sagen zwar 67 Prozent, es sei gutes Recht von Muslimen, Forderungen zu stellen. Aber 20 Prozent finden, das sei das ein Zeichen von Unverschämtheit. 17 Prozent sehen es als Zeichen von Undankbarkeit, wenn Muslime Ansprüche geltend machen.
Die Studie schlüsselt die Haltung der Befragten genauer auf: So wollen 42 Prozent den Bau von Moscheen einschränken, 60 Prozent wollen die Beschneidung von Jungen nach muslimischer Tradition verbieten. 48 Prozent finden, Lehrerinnen sollten kein Kopftuch tragen. Diese hohe Zahl mag allerdings auch einfach Ausdruck davon sein, dass die Befragten eine Trennung von Religion und Staat befürworten. Allerdings gaben 38 Prozent in der Studie an, wer ein Kopftuch trage, könne nicht deutsch sein.
Die Abwehr gegen Moscheebau, Kopftuch und Beschneidung ist am größten bei denen, die sich stark über ihre nationale Identität definieren: Sie gaben in der Studie an, es sei ihnen wichtig, als Deutscher gesehen zu werden. Die Macher warnen, die Abwertungen des Islams werden drastischer - auch in der Mitte der Gesellschaft. So nehme die Bereitschaft zu, der eigenen Einstellung auch gewaltsame Handlungen folgen zu lassen. Als Beispiel nennt die Berliner Forscherin Foroutan Anschläge auf Moscheen.
Es gibt Vorbehalte gegen den Islam - und große Wissenslücken oder falsche Annahmen. 70 Prozent der Befragten haben die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime höher eingeschätzt als sie tatsächlich ist. Knapp ein Viertel glauben sogar, dass mehr als 21 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Muslime seien - in Wirklichkeit sind es rund fünf Prozent.
Die Studie hat noch einen anderen Trend ermittelt: Die Deutschen finden ihr Land ziemlich toll, auch die vielen Deutschen mit Migrationshintergrund.
85 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: "Ich liebe Deutschland." Dieser Wert ist ähnlich hoch bei Deutschen mit Migrationshintergrund (81 Prozent) - von ihnen fühlen sich 77 Prozent deutsch. Egal ob mit oder ohne Einwanderungsgeschichte: Fast die Hälfte (47 Prozent in beiden Gruppen) gaben an, es sei ihnen wichtig, auch als Deutscher gesehen zu werden. Die Autoren der
Studie folgern: Immer mehr Menschen nähmen für sich in Anspruch, deutsch zu sein auch wenn ihre Namen anders klingen und ihre Vorfahren nicht immer hier lebten.
Deutsch sein definiert sich immer weniger über Herkunft oder Abstammung. Auf die Frage "Wer ist deutsch?" antworteten 97 Prozent: Um deutsch zu sein, sei es wichtig, die deutsche Sprache zu sprechen. Für 79 war der deutsche Pass entscheidend, 37 Prozent gaben an, dass deutsche Vorfahren wichtig seien, um Deutscher oder Deutsche zu sein. 40 Prozent finden, um deutsch zu sein, müsse man akzentfrei sprechen. Über dieses Teilergebnis der Studie hatte bereits der SPIEGEL vorab berichtet.
Sehr deutlich sind die Antworten auf die Frage, welches historische Ereignis Deutschland heute am besten beschreibe: Für 49 Prozent ist es die Wiedervereinigung. Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg empfinden demnach nur noch 16 Prozent der Deutschen als prägend für das Selbstbild. Der Holocaust wird hier nur von 0,5 Prozent der Befragten genannt. Dass der Nationalsozialismus sich tief in die nationale Identität eingebrannt habe und bis heute keine positive Identifikation mit Deutschland zulasse, sei also ein Mythos, heißt es von den Wissenschaftlern. (aus: Spiegel.de)