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Freitag, 15.08.2014


Nach 5 Tagen ermittelt der Staatsschutz noch: Der Neubau der Mevlana-Moschee ist durch den Brand fast vollständig zerstört worden

Deutschland, wo bleibt deine Empörung?

Aus den NSU-Fehlern lernen heißt im Falle der jüngsten Brandanschläge auf Moscheen und Synagoge die viel zitierte Zivilcourage zeigen - Von Aiman Mazyek

Vor etwa zwei Woche habe ich den Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal auf Schärfste verurteilt. Ich bin dankbar, die jüdische Gemeinde nächsten Dienstag (19.08.2014) in Wuppertal in diesem Zusammenhang besuchen zu können. Die beiden jüngsten Brandanschläge auf Moscheen in Bielefeld und Berlin verurteile ich ebenso auf Schärfste. Unsere Menschenrechte, die Rechte auf Religionsausübung sind unteilbar. Hier gilt das gleich, was ich zum Synagogenanschlag gesagt habe. „Wer Gotteshäuser angreift, ob Synagogen, Kirchen oder Moscheen, führt Krieg gegen unseren Rechtsstaat, gegen Deutschland und gegen alle Religionen“. Ich werde selbstverständlich auch diese Gemenden besuchen!

Montagnacht brannte es in einer der größten Moscheen Berlins, die Mevlana-Mosche. 90 Feuerwehrkräfte versuchten über Stunden das Gotteshaus zu löschen. Wenn es sich wirklich um einen Brandanschlag handelt - und darauf deutet es derzeit hin -, dann ist es der größte Brandanschlag auf ein Gotteshaus der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Damit nicht genug. Am selben Tag zündete ein Brandstifter mehrere Korane in einer Bielefelder Moschee an und verteilte diese im ganzen Gebetsraum - hier ist es schon jetzt unzweifelhaft Brandstiftung. Muslime haben derzeit Angst und sind irritiert, was da an Hass und Gewalt kommt und wie indifferent und beinah teilnahmslos die Öffentlichkeit nicht zuletzt vor dem Hintergrund des inzwischen aufgedeckten NSU-Terrors darauf reagiert.

Haben wir also gelernt aus den NSU-Anschlägen z.B. in Keupstrasse in Köln? Die Täter hinterließen dort bewusst kein Bekennerbriefe, keine erkennbaren Spuren. Der perfide Plan war, den Betroffenen einen größtmöglichen Schaden zuzufügen und darauf zu spekulieren, dass die Mehrheitsgesellschaft sich nicht empört und so die Hemmschwelle und Hinnahme gegenüber solch einem Gewaltverbrechen singt. Durch die katastrophalen Ermittlungspannen bei der Aufdeckung des NSU-Terrors wurde dieser heimtückische Plan leider noch getoppt.

Würden also angenommen die Täter – wie im Falle der Brandanschläge von Bielefeld oder Berlin – ihre rechte Nazi-Gesinnung aufdecken, sofort würde sich unsere Gesellschaft mit den Opfern solidarisieren. Das gilt es aus der Sicht der Täter zu verhindern. Das derzeitige Schweigen kann also gefährlich für eine wehrhafte und zivilcouragierte Gesellschaft sein.



Mazyek. "Die NSU-Täter hinterließen dort bewusst kein Bekennerbriefe, keine erkennbaren Spuren. Der perfide Plan war, den Betroffenen einen größtmöglichen Schaden zuzufügen und darauf zu spekulieren, dass die Mehrheitsgesellschaft sich nicht empört und so die Hemmschwelle und Hinnahme gegenüber solch einem Gewaltverbrechen singt."

Terrorgruppen heizen die Islamfeindlichkeit an

Wie in den Jahren kurz nach 9/11 war die Angst vor einem Anschlag eines muslimischen Extremisten sehr groß in Deutschland und alles foccusierte sich nur auf solche Gefahren. Wir haben heute eine ähnliche Situation. Leider heizen ausländische Terrorgruppen, die im Namen des Islams Verbrechen begehen, die ohnehin schon stark zugenommene Islamfeindlichkeit hierzulande weiter an. Jeder gesunde Menschenverstand erkennt zwar, dass die IS-Anhänger mit ihren Ansichten Inquisition-Terroristen (Takfiris) sind und ihr grausames Vorgehen nur die Spaltung der Muslime zur Folge hat. Profitieren tun die Diktatoren und Aufwiegler, verlieren die muslimischen Völker und Demokratie. Leider lassen aber immer wieder bestimmte Politiker und Medien eine Trennschärfe zwischen der friedlichen Religion des Islam, die die absolute Mehrheit der Muslime vertreten und leben, und Extremisten auf der anderen Seiten sträflich vermissen. Und leider, dass gehört zur Wahrheit auch dazu, gibt es immer wieder vereinzelt unbelehrbare Muslime hierzulande, die als extremistische Stichwortgeber fungieren.

Alle Muslime unter Generalverdacht


Beides verstärkt den falschen Gesamteindruck, beide betätigen sich mitunter als geistige Brandstifter. Viele in unserem Land können eben nicht mehr zwischen diesen beiden Seiten unterscheiden und stellen alle Muslime unter Generalverdacht. Die gefährliche Folge ist, wie das kürzlich eine Bundestagsanfrage deutlich machte, eine Zunahme von Anschlägen und Übergriffe auf Muslime und ihre Einrichtungen in unserem Land. Die Politik und auch die Medien haben die Aufgabe, ja die Pflicht hier aufzuklären; zu differenzieren, statt zu pauschalisieren, die Betroffenen zu schützen, anstatt sie auch noch zu marginalisieren.

Wir müssen auf unsere Sprache achten!


Wir brauchen auch andere Sprachregelungen im öffentlichen Diskurs, sonst wird diese auf Generalverdacht ausgerichtete Sündenbockdiskussion nicht mehr einzudämmen sein. Viele in unserem Land sind darüber sehr beunruhigt, das zeigen die täglichen Zuschriften, die ich bekomme. Der Menschenrechtler Rupert Neudeck mahnt kürzlich eindringlich einen anderen Umgang mit dem Islam in der Öffentlichkeit. Er forderte ein Mindestmaß an Respekt und kritisierte die immer wieder verwendete Sprachregelung im Kontext des Extremismus. Wörtlich sagte er:  "Ich finde es ganz furchtbar, wenn man die Taliban, Boko Haram oder Isis 'radikal islamisch' nennt. Diese Menschen sind Verbrecher, und sie müssen Verbrecher oder Terroristen genannt werden." Reicht es nicht aus, wenn mutmaßlich Muslime den Islam besudeln, in den Dreck ziehen und missbrauchen? Muss man als aufgeklärte und kritische Gesellschaft auch noch in die gleiche Kerbe schlagen und gleichsam mit diebischen Vergnügen Wortvergewaltigungen produzieren? Dies ist doch nur Wasser auf den Mühlen der Extremisten - die wir alle hier nicht haben wollen.

(Erweiterter und aktualisierter Beitrag von Aiman Mazyek, der erstmals im FOCUS online am 08.08.14 erschien.)