In diesen Tagen erleben wir es wieder, dass einige Juden und einige Muslime in Deutschland sich vom neuen Gazakrieg gänzlich unkritisch vereinnahmen lassen. Aus guten Bürgerinnen und Bürgern werden plötzlich getreue ideologische "Parteisoldaten",
-die Resolutionen und Manifeste in den sozialen Netzwerken verfassen,
- jede differenzierte Meinung zu dem Konflikt als jüdischen Selbsthass und Überassimilierung oder muslimischen Verrat beschimpfen,
- die Mails an Abweichler aus der eigenen Religionsgemeinschaft versenden, in denen diese aufgefordert werden, ihre "falschen" Positionen – Lösungen aus der Mitte, Kompromissbereitschaft und Schuld auf beiden Seiten suchen – zu begründen.
Die an den Pranger gestellten Abweichler werden informiert, dass es nur eine Sicht auf den Konflikt gibt: "Die israelische Regierung handelt stets richtig, denn die mordlustigen Araber sind an allem schuld!" oder "Das verfluchte Israel ist der Nachfolger des Nazi-Regimes und muss beseitigt werden."
Nahost-Konflikt heißt in unseren Breiten vor allem Meinungskrieg, der aber nie über den Status quo hinauskommt. Den Ideologen auf beiden Seiten geht es nicht primär um das Wohl der Palästinenser oder der Israelis, es geht ihnen auch nicht um Religion, sondern im Zentrum steht eine Ideologie der Raumbeherrschung.
Beide Seiten sind sich dann auch sehr nahe, sie sind gefangen in einer tödlich-liebenden Umklammerung. Sie können sich nicht losreißen von ihrer inzestuösen Bindung an Blut und Boden und von daher sind sie ein Teil des Problems, aber kein Teil seiner Lösung. Sie erkennen nicht, dass all ihr Aktivismus die bereits bestehenden Feindbilder nur verstärkt. Wenn die israelische Armee sich wieder aus dem Gazastreifen zurückzieht und den Palästinensern genug Ruinen und Tod hinterlassen hat, dann kehrt auch bei uns wieder Ruhe ein. Dann beginnt für alle "Parteisoldaten" das Warten darauf, dass es wieder los geht. Denn nach dem letzten Gazakrieg ist stets vor dem nächsten Gazakrieg.
Aber es gibt zunehmend kritische Stimmen auf jüdischer und muslimischer Seite, die im ideologischen Islam der HAMAS und im ideologischen Zionismus keine Lösung sehen. Diese Hoffnungsträger setzen die israelische Politik nicht mit dem Judentum gleich und identifizieren die Handlungen der HAMAS nicht mit dem Islam. Doch worauf kann sich eine Versöhnungsbotschaft stützen?