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Leserbriefe

Dienstag, 12.10.2004



Fuad Hamdan Die Zeit der Verdreher schrieb:


Möchte man den westlichen Medien und Politikern glauben, so gewinnt man den Eindruck, die islamistische Bedrohung für die westliche „Zivilisation“ ist so akut, als würden Millionen von islamistischen langbärtigen Kämpfern vor Hamburg, New York oder sonst wo in der westlichen Welt stehen. Man vergisst gerne und nicht ohne Absicht, dass westliche Kriegsschiffe vor den Küsten islamischer Ländern wie Iran, Saudi Arabien, Lybien kreuzen. Man vergisst auch gerne, dass Tausende von westlichen Soldaten islamische Länder wie den Irak und Afghanistan besetzt halten und in anderen Ländern massiven militärischen Präsenz haben, gegen den Willen der Mehrheit in diesen Ländern. Wie würden die USA reagieren, wenn iranische Kriegsschiffe in Sichtweite von New York oder Los Angeles kreuzen würden?
Gewiss, die islamischen Länder und Gesellschaften sind nach westlicher Definition rückständig, korrupt und diktatorisch. Bei aller berechtigter Kritik an dem Umgang der moslemischen Staaten und Gesellschaften mit dem Individuum und den Menschenrechten, ist das keine Begründung für den Einmarsch westlicher Truppen in fremde Ländern. Bedenke man, dass die meisten islamischen und vor allem arabischen Diktatoren die geherrscht haben und noch herrschen, einschließlich Saddam Hussein, ohne tatkräftige militärische und geheimdienstliche Unterstützung des Westens, vor allem der USA, sich vor ihren Völkern nicht behaupten können. Es ist sicher Unfug den Westen und den „Imperialismus“ für den desolaten Zustand in der islamischen und arabischen Welt verantwortlich zu machen, aber die doppelten moralischen Standards, die der Westen bei der Behandlung von Diktatoren und Unrecht anlegt, sind den Menschen in der islamischen und arabischen Welt nicht zu vermitteln. Wenn in dem meistgesehenen arabischen Satelitten Fernsehsender der amerikanische Außenminister den Rückzug der syrischen Besatzungstruppen aus dem Libanon verlangt und sich gleichzeitig vehement wehrt, den Rückzug der israelischen Armee aus 22% des palästinensischen Bodens, Westbank und Gazastreifen, zu verlangen, ist das nicht einmal einem „gemäßigten“ Araber vermittelbar.
Für die Araber im allgemeinen und für die Palästinenser insbesondere, ist es nicht einsehbar, warum sie für die Verbrechen der Europäer an den Juden den Preis bezahlen müssen. Mit der weitgehend kritiklosen Unterstützung für den jüdischen Staat versucht der Westen, sein Versagen beim Schutz seiner jüdischen Bürger in ihren angestammten Ländern in Europa zu kompensieren. Gerechter wäre es gewesen, so denken viele Palästinenser, Hessen, Bayern oder sonst ein anderes deutsches Bundesland den Juden als Heimat und Wiedergutmachung anzubieten.

Wenn es um Rechtfertigungen seiner Politik geht, kennt der Westen keine Verlegenheiten. Als die islamischen Freiheitskämpfer in den achtziger Jahren - auch mit grausamen Mitteln - gegen die sowjetische Besatzung Afghanistan gekämpft haben, waren der Westen und seine Medien voll des Lobes und Bewunderung für sie. Die langbärtigen Kämpfer bekamen jegliche logistische Unterstützung von den westlichen Geheimdiensten. Dieser Kampf wurde damals nur von den damaligen Ostblock-Staaten und einer kleinen Schar Kommunisten im Westen als Terror bezeichnet. Für die westlichen Demokratien dagegen war der Widerstand gegen die sowjetischen Besatzungstruppen ein Freiheitskampf. Wenn dagegen islamische Hisbullah Freiheitskämpfer im Libanon gegen die israelische Besatzung Südlibanons kämpfen, dann sind sie Terroristen. Wenn eine palästinensische Gruppe Widerstand - auch mit terroristischen Mitteln- gegen die israelische Besatzung leistet, wird nicht nach den Ursachen gefragt. Der Koran in der Hand der Mojahideen in Afghanistan im Kampf gegen die Sowietischen Truppen war ein guter Koran, dagegen ist ein Koran in der Hand eines Hisbullahkämpfers gegen die israelische Besatzung ein schlechter Koran.

Der Westen mit seinen ach so hochgepriesenen Werten könnte bei den arabischen und islamischen Völkern an Boden gewinnen, nur wenn diese Werte für alle gleichermaßen gelten, für Weiße und Schwarze, für Moslems, Juden oder Christen. Es ist einfach milde ausgedrückt nicht überzeugend, den palästinensischen Terror, den es ohne Zweifel gibt, zu verurteilen, und den israelischen Staatsterror zu verschweigen.

Wie würde der Westen reagieren, wenn einige islamische Staaten eine Koalition der Willigen bilden, und sich anschicken, in die USA einzumarschieren, um die Welt von Busch und seiner Administration befreien zu wollen, weil sie eine Gefahr für den Weltfrieden darstellen?

Der Westen fordert immer wieder von den islamischen Minderheiten die dort leben Loyalität. Einem Moslem ist es schwer einem Staat in dem er lebt loyal zu sein, der die Unterdrückung und Ermordung seiner Brüder und Schwester im Irak oder Palästina duldet, ja sogar unterstützt.
Der von einigen Seiten hoch stillisierte und propagierte Kampf der Kulturen, muss sich wandeln in einen Kampf um die Herzen der Menschen, nicht nur in der arabischen islamischen Welt. Nur eine glaubwürdige, gerechte und von Doppelstandards freie Politik kann die Menschen in Gaza, Ramallah, Kairo, Islamabad oder sonst wo überzeugen. Vor tausend Jahren hat der Westen vieles vom Osten gelernt, jetzt könnte der Osten vieles vom Westen lernen.