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Donnerstag, 05.12.2013

Gericht glaubt Ex-Verfassungsschützer im NSU-Prozess nicht

Unterdessen soll es laut BKA noch weit mehr Opfer von Neonazi-Gewalt gegeben haben

Im NSU-Prozess hat sich der Streit um die Rolle eines ehemaligen Verfassungsschützers zugespitzt. Am Dienstag warfen Nebenklage-Anwälte dem Oberlandesgericht München mangelnden Aufklärungswillen vor. Der Senat lehnt es ab, die gesamten Akten über den Ex-Verfassungsschützer Andreas T. in den Prozess aufzunehmen, der beim Mord an Halit Yozgat in Kassel am Tatort war.

T. saß im hinteren Raum eines Internetcafés in Kassel, als die Neonazi-Terroristen dort im April 2006 den 21-jährigen Halit Yozgat ermordeten. T. behauptet, er habe nichts von der Tat mitbekommen; Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Seine Anwesenheit hatte jedoch für Spekulationen gesorgt.

Auch in seiner zweiten Vernehmung vor Gericht am Dienstag berief sich T. immer wieder auf Erinnerungslücken. Er habe erst aus der Zeitung von dem Mord erfahren. Dann habe er geglaubt, dass er an einem anderen Tag in dem Internetcafé gewesen sei. Als Zeuge habe er sich nicht gemeldet, weil er nicht gewollt habe, dass seine Frau von seinen Besuchen auf Flirtseiten erfahre. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl machte deutlich, dass er T. nicht glaube, konnte ihn jedoch auch mit mehreren Ermahnungen nicht zu einer umfassenderen Aussage bewegen. Am Mittwoch soll die Vernehmung fortgesetzt werden.

Er habe den Schutz von V-Leuten des Verfassungsschutzes höher bewertet als die polizeiliche Aufklärung einer Mordserie. Dieser Vorwurf an die Adresse von Volker Bouffier (CDU), der als Innenminister im Jahr 2006 die direkte Befragung von V-Leuten im Zusammenhang mit dem Kasseler NSU-Mord verhindert hatte, wurde in diesen Tagenwieder laut

Nun stößt das Münchner Oberlandesgericht auf das gleiche Problem. Zwar wurde mit dem Kasseler Benjamin G. ein ehemaliger V-Mann aus dem rechtsextremen Spektrum als Zeuge geladen. Doch der hessische Verfassungsschutz verbietet ihm bis heute, zu bestimmten Fragen Auskunft zu geben. Lediglich zum Verhältnis zu seinem V-Mann-Führer, dem vorübergehend mordverdächtigen Andreas T., darf G. sich vor Gericht äußern. Als Aufpasser hat ihm das Landesamt für Verfassungsschutz einen Anwalt zur Seite gestellt, der bei der Vernehmung immer mal wieder dazwischenfunkt.

746 Fällen Anhaltspunkte “für eine mögliche politische rechte Tatmotivation” entdeckt worden

Weit mehr Todesopfer als bislang bekannt könnten auf das Konto rechter Gewalttäter in Deutschland gehen. Das berichtet die “Neue Osnabrücker Zeitung” unter Berufung auf eine Untersuchung von Bundeskriminalamt und Landespolizeibehörden. Demnach seien bei der Überprüfung von 3300 bislang ungeklärten versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten ohne Verdächtige in 746 Fällen Anhaltspunkte “für eine mögliche politische rechte Tatmotivation” entdeckt worden, zitiert das Blatt einen Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die bislang ungelösten Verbrechen mit insgesamt 849 Opfern sollen nun von den Polizeibehörden der Länder noch einmal unter die Lupe genommen werden.

Wie die “Neue OZ” berichtet, stammen die Fälle aus den Jahren 1990 bis 2011. Sie seien mithilfe eines speziell entwickelten Indikatorenkataloges herausgefiltert und “als relevant erachtet” worden, sagte der Ministeriumssprecher dem Blatt. Das Bundeskriminalamt habe die Ergebnisse übermittelt bekommen und sei nach einem umfangreichen Datenabgleich derzeit damit beschäftigt, die Ergebnisse für den Rückversand an die Länder aufzuarbeiten. Hier würden dann mögliche neue Ermittlungsansätze verfolgt.

Die Überprüfung der Tötungsdelikte war nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie in die Wege geleitet worden. Der rechtsextremen Terrorvereinigung aus Jena werden insgesamt zehn Morde zur Last gelegt. Die offizielle Statistik der Bundesregierung nennt knapp 60 Morde mit rechtsextremem Hintergrund. An dieser Zahl war in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik laut geworden. Journalisten recherchierten rund 180 Opfer.