Der Luxemburger Außenminister Asselborn brachte es während der Verleihung des Kopelew-Preises für Frieden und Menschenrechte 2013 auf den Punkt. Im Anschluß an den vor hundert Jahren in Algerien geborenen eurafrikanischen Schriftsteller Albert Camus definierte er die Menschen, die sich im arabischen Raum und jetzt besonders in Syrien für menschenwürdige Verhältnisse einsetzen und kämpfen als „Menschen in der Revolte“. Und was ist ein „l’homme revolte“?, fragte Asselborn mit Camus? Ein Mensch, der Nein sagt.
Und nein gesagt hat Suaad Tayeb, eine Syrerin mit palästinensischer Herkunft. Sie ist aufgewachsen in einem Flüchtlingslager. Mit Hilfe des Flüchtlingswerks der UNO, der UNRWA, durfte sie an der Universität in Damaskus Kunst und Architektur studieren. Sie wurde eine gefragte Innenarchitektin in Syrien. Als die Demonstrationen zuerst friedlich begannen, war sie gerade Mutter geworden. Aber sie zögerte nicht und gründete mit Freunden die Organisation „Naschda Now“, zu deutsch „Hilfe jetzt“. Diese Organisation versucht, Menschen in den umkämpften Dörfern und Städten zu erreichen, die ganz dringend auf Nahrungsmittel, Medizin, Kleidung, ein Dach über dem Kopf angewiesen sind. Sie macht das Gleiche, was die Grünhelme gemacht haben und jetzt mit syrischen Partnern weiter versuchen zu tun.
Während der Podiumsveranstaltung am 23. November wurde deutlich, dass die Geheimdienste von Assad weiter allen eigenständigen Menschen in der Revolte auf den Fersen sind. So wurde auch Suaad Tayeb eines Tages verhaftet. Sie war drei Monate unter unsäglichen Bedingungen eingekerkert. Nach dem sie aus dem Gefängnis kam, nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Wieder wurde sie verhaftet, wieder musste sie für 45 Tage ins Gefängnis. Mit ihrem Kind und ihrem Mann konnte sich Suaad Tayeb in den Libanon retten. Von dort gelang es mit Hilfe des Auswärtigen Amtes, ihr ein Einreisevisum für Deutschland und Köln zu vermitteln.
Suaad Tayeb betonte in einem kurzen flammenden Appell, dass es ihr immer noch wie im Traum vorkomme, hier mitten in Köln und Deutschland frei und sicher gehen und sprechen zu können. Sie bat Deutschland und die Deutschen, die Syrer, das syrische Volk nicht untergehen zu lassen, sondern zu retten. .Zwei Ärzte waren die beiden anderen gleichberechtigten Preisträger. Der eine ist schon bekannt geworden, als sich Jörg Armbruster nach Dreharbeiten in der Karwoche, bei der er auch die von den Grünhelmen rehabilitierte Schule in dem Ort Keljebrin filmte und die erneuerte Pharmazie und die beiden OP-Säle im Krankenhaus von Azaz, auch zum Schluß nach Aleppo begab. Dort wurde er von einem Scharfschützen erwischt: Bauchschuss. Sein Kollege Martin Durm rannte in eine der Untergrundkliniken. Dort operierte ihn Dr. Ammar Zakaria, holte die Kugel heraus, rettete so dem Reporter des Südwestfunks das Leben. Bis drei Uhr nachts wurde operiert, dann hatte unser Dr. Saru Murad in Azaz schon die Voraussetzungen für den Übergang der Ambulanz bei Azaz nach Kilis und weiter nach Gaziantep besorgt, so dass sich Jörg Armbruster vor der Flugreise noch in dem türkischen Krankenhaus erholen konnte.
Dr. Ammar Zakaria hatte in Krankenhäusern der Armee auch Gefangene wieder ‚repariert’, deren Rippen und Schultern zerhauen waren. Das erregte den Argwohn des Regimes. Zakaria ging auf die Seite der Opposition. Er wurde ein „homme revolte“, ein Mensch in der Revolte, der nunmehr NEIN sagte. Das hat auch Abdulkader Abdulrahim, ein blutjunger Arzt. Sein Onkel, so wurde in der Preisverleihung berichtete, hatte sich als Luftwaffenpilot geweigert, Zivilisten im Libanon zu bombardieren. Daraufhin wurde die ganze Familie aus dem Land gezwungen. Das war noch unter dem Vater Hafez al Assad. Dr. Abdulrahim wurde in Bagdad geboren und kam erst im Alter von 17 Jahren in seine Heimat zurück.
Wie heftig wäre unser alter Lew Kopelew mit diesen drei Preisen einverstanden gewesen, die uns in der deutschen Bevölkerung ein Gesicht des syrischen Widerstandes geben? Wie sehr hätte er die drei Menschen in der Revolte beglückwünscht. Als ich da saß am 24. November in dem vornehmen Atrium der Kreissparkasse Köln, sah ich heimlich auch unsere drei Entführten Grünhelme da sitzen, besonders den dritten, den 72jährigen Ziad Nouri, der von Deutschland aus nach Syrien gekommen war am 11. Mai 2013, aus dem einzigen Grund, um den Menschen in seinem Lande zu helfen, ihnen ihre Schulen und Krankenhäuser aufzubauen.
Ziad Nouri wurde mit den beiden anderen Simon Sauer und Bernd Blechschmidt am 15. Mai 2013 um 3 Uhr nachts entführt. Bernd und Simon konnten sich am 3. Juli selbst durch Flucht aus der Geiselhaft befreien. Ziad erst nach 111 Tagen am 3. September. Ihnen gehört neben Suaad Tayeb, Dr. Ammar Zakaria und Dr. Abdulkader Abdulrahim unsere große Anerkennung.
Die Grünhelme versuchen jetzt mit der Barada Organisation von Dr. Marwan Khoury etwas im türkisch-syrischen Grenzgebiet zu tun. Dem Lew Kopelew Forum gilt unser Dank für eine so würdige und zu Tränen rührende Ermahnung an uns, den Menschen in der Revolte in Syrien weiter beizustehen.