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Donnerstag, 17.10.2013
Geheimdienste: Die Kontrolle ist auf den Fugen geraten
Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung, werden seit Jahren Freiheitsrechte massiv eingeschränkt. Von Anfang an waren nicht nur Muslime Leittragende - Positives Beispiel NRW in Sachen V-Leute
Oft halten Geheimdienste Journalisten für Gehilfen - oder für Gegner. Beides hat fatale Folgen. Über mindestens sieben Reporter hat der Verfassungsschutz in Hannover illegal Daten gesammelt. Das ist kürzlich raus gekommen, auch weil es dort eine neuen Innenminister gibt, der beherzt die Aufklärung voran bringt (Wahlkampf mit eingeschlossen natürlich).
Nur wenige Journalisten beschäftigen sich intensiv mit den Geheimdiensten. Oft sind nur die Pressestelle und der jeweilige Präsident Anlaufstellen, die ihre Informationen loswerden wollen. Ob diese stimmen oder nicht, ist schwer überprüfbar. "Wir sollten allen Informationen aus Verfassungsschutzämtern prinzipiell den Glauben verweigern", empfahl vor vielen Jahren Eckart Spoo, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Union. Aber wohin soll das führen?
Die Choreografie des Skandals laut Süddeutsche Zeitung (Kommentar von Hans Leyendecker) sieht so aus: Alle paar Jahre melden Medien, dass einer der Geheimdienste Journalisten ausgespäht hat. Anschließend wird von den Behörden abgewiegelt, beteuert und erklärt, und es hagelt Versprechen: Ein bedauerlicher Einzelfall, ein Mitarbeiter habe über die Stränge geschlagen oder sich irgendwie vertan. Kommt nicht mehr vor, ehrlich.
Das Entscheidende ist aber das gleichzeitig Beunruhigende: Die Kontrolle der Geheimdienste funktioniert nicht mehr richtig - siehe auch Forderungen des ZMD zum NSU-Untersuchungsausschussbericht des Deutschen Bundestages. Wie viel Menschen wissen eigentlich, ob der Geheimdienst sie mit welcher Begründung oder auch keiner sie beobachtet? Und was nützt die Anfrage, wenn das Amt ohnehin nicht die Wahrheit sagt? Ein Verfassungsschutz der so agiert, zerstört den Glauben an den Rechtsstaat und die Demokratie, dessen Schutz eigentlich seine ureigene Aufgabe ist. Und wenn dem nicht Einhalt geboten wird, zerstört dieses Misstrauen langfristig auch den Rechtsstaat selber. Keine will das, bestimmt auch der Verfassungsschutz nicht.
Kürzlich übrigens machte der nordrheinwestfälische Verfassungsschutz positiv auf sich aufmerksam. Über eine Landesgesetzesänderung schränkte er die Möglichkeiten von V-Leuten Schindluder zu betreiben, massiv ein und ergänzte fehlende Zuständigkeiten im diesem Bereich mit einem auch für Dritte nachvollziehbarem Controlling. Nach dem NSU-Skandal ein Schritt in die richtige Richtung und es bleibt zu hoffen, dass anderer Stellen nachziehen werden.
Und noch eine bittere Pille muss geschluckt werden. Schlimm genug, dass alle verabschiedeten Sicherheits-, Anti-Terror- und Überwachungsgesetze (siehe z.B. sog. Otto-Kataloge), insbesondere nach dem 11. September, beim Terror von Rechts offenbar nicht griffen. Diese neue Übergewichtigkeit von Sicherheitsgesetzen, die die Freiheitsrechte erdrücken und zum Bespitzeln und Kontrollieren führen – siehe prism und andere Skandale – baute ursprünglich im Zuge der Generalverdachtsdebatte gegenüber Muslimen auf die „Islamangst“ auf.
Der Zentralrat und andere Institutionen haben immer wieder auf diesen Zusammenhang hingewiesen, wonach sich die Mehrheit der Bevölkerung fälschlich in Sicherheit wähnte, getreu dem Motto: Terrorbekämpfung geht in erster Linie nur die Muslime etwas an. Heute wie damals wissen wir genau: Einschränkung der Freiheitsrechte geht uns alle an und beschränkt sich nicht auf bestimmte Konfessionen.