Montag, 29.09.2003
Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere weitgehend entmoralisierte Gesellschaft hat ihr Tabu entdeckt: Das Kopftuch.
Kaum ein politisiertes Thema hat mein Gemüt dermaßen erregt, wie das seit Jahren andauernde um das Tragen eines Kopftuchs im Schuldienst.
Dass es im Fall der Frau Fereshta Ludin in der eigentlich sehr banalen Sache wiederholt zum Rechtsstreit kommen muss, und in welcher Weise die Diskussion in den Medien dazu geführt wird, zeugt von Intoleranz, Ungerechtigkeit, Gehässigkeit.
Oft habe ich mich gefragt, wie es zu Pogromen gegen Juden in der Nazizeit kommen konnte. Heute muss ich mit Erschrecken feststellen, wie anhand dieses Themas Hass gegen Volksgruppen (diesmal Muslime) geschürt wird.
Politiker, Journalisten, Pfaffen und sonstige geistigen Potentaten, wie die in dieser Sache immer wieder bemühte selbstgekürte Feministin Alice Schwarzer sehen Demokratie und Sitte in unserer – ach, so toleranten - Gesellschaft in Gefahr, wenn Schüler den Anblick einer kopfbedeckten Lehrerin ertragen müssten.
In der Tat passt die Erscheinung einer Frau Ludin nicht in das Konzept einer ethisch degenerierten Gesellschafts(un)ordnung ohne Gottesbezug.
Mit dieser andauernden, auf breiter Front angelegten Hetzkampagne wird man – und will man offensichtlich auch – die Integration der Menschen mit sittlicher Orientierung fremden Ursprungs verhindern.
Man wird die „Nicht-Umerziehbaren“ zwangsläufig in die Obhut fanatischer, vielleicht auch antidemokratischer Organisationen treiben.
Die groteske Beschneidung des Rechts auf Persönlichkeitsentfaltung und die Diffamierung von Frauen, die – aus welchem Grunde auch immer – bewusst eine Kopfbedeckung tragen wollen wird zur Polarisierung und zur Radikalisierung in dieser Frage führen. Letzteres ist, so scheint mir, sogar gewollt, denn es böte noch mehr Angriffsfläche für die öffentliche Schaubühne. Schon jetzt werden in dieser Sache immer wieder Bezüge zu terroristischen Verbänden, radikalislamischen Unterdrückern, etc. konstruiert, um die „Gefahr“, die sich unter dem Kopftuch verbirgt, erklärbar zu machen.
Ist die Luft in Deutschland etwa schon wieder mit Fäulnisgasen einer sich zersetzenden Demokratie dermaßen angereichert, dass ein kleiner Funke zu einen fürchterlichen Brand führen kann?
Vor 65 Jahren hat man einen triftigeren Grund zur Vorbereitung der Judenpogrome gefunden als etwa das Tragen einer Kippa.
Ich stelle mich entschieden auf die Seite der Geschmähten und will die Hoffnung nicht aufgeben, dass es noch gewichtige Stimmen in Staat und Gesellschaft gibt, die dieses bescheidene vermeintliche Grundrecht auf Persönlichkeitsentfaltung zumindest tolerieren.
Ihren geehrten Vorsitzenden, Herrn Dr. Elyas, beneide ich um seine Zurückhaltung angesichts der Angriffe und Verleumdungen in den öffentlichen Diskussionen .Obwohl selbst nicht direkt betroffen, erscheint mir diese Ungerechtigkeit unerträglich – mir kocht das Blut!
Theodor Bäumer, Drensteinfurt
PS: Als Beitrag zum Kampf gegen Verleumdungen habe ich heute eine Spende über 100 € an Sie überwiesen; nicht zuletzt, um den Vorwurf zu entkräften, der erzwungene Rechtsstreit werde ausschließlich von islamistischen Geldgebern finanziert. (Ich bin Christ katholischer Konfession).