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Leserbriefe

Samstag, 27.09.2003



Mohrmann:Weiß und die Fundamentalistin Schwarzer schrieb:


Sehr geehrte Frau Weiß,

zunächst mein herzliches Beileid, dass sie in einer Talkshow zum
Thema sich mit einer toleranzfreien Fundamentalistin wie Frau Alice
Schwarzer herumschlagen mussten. Sie haben mir mit ihrer Ruhe und
Gelassenheit und Geduld sehr imponiert.

Über die Diskussion kann ich als Katholik und Jurist nur den Kopf
schütteln. Schon das von Verfassungsrichter Hassemer gewählt Thema
seiner einleitenden Worte zur mündlichen Verhandlung "Wieviel fremde
Religiösität verträgt unsere Geseellschaft" hat mich sehr irritiert.
Ist das Tragen eines Kopftuches denn Äußerung einer fremden
Religiösität?

In jeder christlichen Kirche, jedem Museum mit christlich-religiöser
Kunst läßt sich besichtigen, daß das Gegenteil wahr ist. Wer in einer
religiösen Umgebung aufgewachsen ist, weiß, daß alle christliche
Gemeinschaften Kleidungsvorschriften kennen, auch und vor allem die
allergrößte, die katholische. Eine Frau, die bei einer Audienz mit
dem Papst kein Koptuch trägt? Vollkommen unmöglich. Auch Angela
Merkel, die nun für das Kopftuchverbot spricht, hat bei ihrer Audienz
bei dem Papst, der Etikette zufolge, und vor aller Augen, sich dieses
angeblich Frauen diskriminierende Kleidungsstück angezogen.

Wer den Koran kennt, weiß, daß das Tragen eines Kopftuchs nirgendwo
vorgeschrieben ist, vorgeschrieben ist Anstand statt öffentlicher
Lüsternheit.. Doch in ihrer Bekleidung folgen muslimische Frauen
Traditionen, die für jüdische wie auch für christliche Frauen aus
uralter Tradition gelten. Wer die christliche bibel kennt, weiß, daß
nur eine Religion das Kopftuchtragen als heilige Pflicht kennt - sie
gilt, so Paulus im Korintherbrief - für christliche Frauen, die eine
Kirche besuchen. Fast zwei Jahrtausende lange trugen deshalb
christliche Frauen im christlichen Europa eine spezielle
Kirchentracht, gegen die der iranische Tschador noch freizügig wirkt.

Nun ja, ich versuche meinen katholischen Glaubensgenossinnen und
Glaubensgenossen zu vermitteln, daß Frau Ludin auch für uns kämpft.
Einfach ist es nicht. Ich glaube, daß es nicht um die muslimische
Religiosiät geht, sondern um die kuturelle Hegenomie eines auch noch
christlich etikettierten Säkularismus. "Züchtig" gekleidet zu sein,
verstößt gegen den common sense.

Religion ist peinlich, ungehörig, ist, wie sanft dieses Bekenntnis
auch daher kommt, fundamentatlistisch. eine katholische,
mennonitische, baptistische, evangelikale. muslimische Frau, die
eine Kopftuch trägt, weil es seit Jahrtausenden und Jahrhunderten so
Sitte ist, und weil es ein bestimmtes Verständnis von Anstand
gebietet, ist eine Anschlag auf eine Kultur, die Ehe und Familie
mißachtet, Prostitution und Pornographie schick findet, und in der
Homosexualität inzwischen geradezu eine Empfehlung für ein
öffentliches Amt ist,

Über unser Verfassungsgericht bin ich nicht ganz, aber doch ein
bißchen froh.Wenn wir uns nun - religiöse Menschen jeglicher
"Schattierung" - in die Diskussion enschalten, könnte es geling, das
da haben einer religiösen Überzeugung auch dann möglich ist, wenn man
ein öffentliches Amt bekleidet.