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Donnerstag, 19.07.2012
Bayern: Vierter Ausschuss soll Neonazi-Morde untersuchen - Neuster Verfassungschutzbericht: Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten weiter gestiegen
"Wir wollen rauskriegen: Was wussten bayerische Sicherheitsbehörden über die Leute, die später als NSU-Trio bekannt wurden" - Neue Schredder-Aktion des Geheimdienstes
Nach dem Bundestag sowie den Ländern Sachsen und Thüringen will auch der bayerische Landtag einen Ausschuss zur Untersuchung der Mordserie durch das rechtsextreme Zwickauer Terrortrio NSU einsetzen. Der designierte Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Franz Schindler (SPD), hält das Gremium für "unbedingt erforderlich". "Wir wollen rauskriegen: Was wussten bayerische Sicherheitsbehörden über die Leute, die später als NSU-Trio bekannt wurden?", sagte er dem "Donaukurier". Bayerische Polizeibehörden seien diejenigen gewesen, die bundesweit die Ermittlungen geleitet hätten, erläuterte Schindler in der Zeitung. "Der Untersuchungsausschuss des Bundestages wird auch nicht alle Facetten aus Bayern untersuchen. Das ist schon unsere Sache", fügte er hinzu. Verschiedene Untersuchungsausschüsse könnten auch zu einer Aufteilung der Arbeit führen. Dem bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz warf Schindler vor, "sich nicht gerade durch große Kooperationsbereitschaft mit der Polizei ausgezeichnet" zu haben.
Der Verfassungsschutz ist wegen der Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe NSU jetzt alarmiert
Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt nach den Morden der rechtsextremen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vor weiterem gewalttätigen Rechtsterrorismus in Deutschland. "Vor dem Hintergrund einer stark durch Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung geprägten rechtsextremistischen Szene können vergleichbare Radikalisierungsverläufe für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden", heißt es im Verfassungsschutzbericht 2011. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der scheidende Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm stellten den Bericht am Mittwoch in Berlin vor.
Politisch motivierte Straftaten kommen nach Angaben des Verfassungsschutzes vor allem aus dem rechten Spektrum. Dem Bericht zufolge registrierten die Behörden im vergangenen Jahr 16.142 Delikte mit rechtsextremen Hintergrund. Das waren 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg linksextremistisch motivierter Straftaten fällt zwar mit 20 Prozent wesentlich höher aus. Allerdings ist die Zahl mit 4502 deutlich geringer. Dennoch ist hier das Gewaltpotenzial höher. Die Polizei registrierte 1157 politisch motivierte Gewaltdelikte aus dem linksextremen Bereich, 755 aus dem rechtsextremen. Nach dem Verfassungsschutz-Bericht gab es im vergangenen Jahr 22.400 Mitglieder in rechtsextremen Organisationen. Im Vorjahr waren es noch 25.000. Ursache sei, dass vor allem rechtsextremen Parteien Mitglieder davonliefen. Das Potenzial gewaltbereiter Rechtsextremer sei 2011 allerdings auf 9800 von 9500 gestiegen.
Erlass des Bundesinnenministeriums hat sechs weitere Dossiers mit Protokollen über klandestine Abhöraktionen in rechtsradikalen Zirkeln gelöscht
Unterdessen wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine weitere Vernichtung von Akten über Nachforschungen im rechten Milieu eingestanden hat. In einem neuen Bericht des Geheimdienstes wird eingeräumt, dass durch einen Erlass des Bundesinnenministeriums vom 14. November 2011 sechs Dossiers mit Protokollen über klandestine Abhöraktionen in rechtsradikalen Zirkeln gelöscht worden seien. Der Erlass kam nur wenige Tage nach dem Auffliegen der rechten Terrorzelle des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU).
Die jetzt erst bekannt gewordene Löschung weiterer Akten, dieses Mal geht es um Protokolle sogenannter G-10-Abhörmaßnahmen, erlaubt einen für den Dienst unangenehmen Blick auf geradezu chaotisch wirkende Abläufe im Fall des Terror-Trios. Seitdem herausgekommen war, dass ein Referatsleiter kurz nach der Entdeckung des NSU-Trios im November 2011 mehrere Dossiers über V-Leute in der rechten Szene eigenmächtig geschreddert hatte, steht der Dienst Kopf.