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Artikel 16a – Das Asylrecht


Um uns ein Bild machen zu können, um welchen Sachbestand es sich genau handelt, muss zuerst der Begriff ‚Flüchtling‘ definiert werden. Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definiert ihn folgendermaßen: Flüchtlinge sind Personen, die sich aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung außerhalb des Staates aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, sowie Staatenlose, die sich aufgrund der genannten Gründe außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltsstaates befinden. Anerkannte Flüchtlinge sind solche, die verfolgt werden wegen: ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und ihrer politischen Überzeugungen.

Ziel der Konvention ist ein möglichst einheitlicher Rechtsstatus für Menschen, die nicht mehr den diplomatischen Schutz ihres Heimatlandes genießen.

Allerdings enthält die Konvention eine zeitliche Einschränkung: So bezieht sie sich lediglich auf Personen, die „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind“ (Art. 1 A Nr. 2) zu Flüchtlingen wurden. Sie enthält damit keine Regelungen für die Rechte von späteren Flüchtlingen.

Die Konvention führt u. a. folgende Rechte eines Flüchtlings auf: Schutz vor Diskriminierung wegen Rasse, Religion oder Herkunftsland (Art. 3), Religionsfreiheit (Art. 4) – wobei hier nur das sog. Gebot der Inländergleichbehandlung gilt, d. h. Flüchtlinge und Staatsbürger werden in ihrer Religionsfreiheit gleichgestellt; Einschränkungen für Staatsbürger dürfen dann auch für Flüchtlinge gelten –, freier Zugang zu den Gerichten (Art. 16), Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge (Art. 28) und Schutz vor Ausweisung (Art. 33; das Non-Refoulement-Prinzip).

Insgesamt gewähren die Vertragsstaaten einem Flüchtling weitgehend die gleichen Rechte wie Ausländern im Allgemeinen; ein Flüchtling darf also nicht als "Ausländer 2. Klasse" behandelt werden.

Das Wort ‚Asylbewerber‘, welches oft in dem o.g. Zusammenhang genannt wird, stößt bei einigen Menschen auf Abneigung. Direkt damit verbunden sind meist Bilder aus Sammelheimen und bittender Mittellosigkeit. Einige verbinden auch diesen Begriff mit dem Bild von Menschen, die nach Deutschland kommen, weil sie im Grunde bloß der Armut in ihren Ländern entfliehen wollen, um hierzulande auf Kosten des ehrlichen deutschen Steuerzahlers zu leben.

Befasst man sich mit der tatsächlichen Definition des Begriffs, dann ertappt man sich leicht bei den eigenen Vorurteilen gegenüber jenen Menschen, die alles hinter sich lassen mussten, um ihr eigenes Leben und das ihrer Liebsten zu schützen. Wenn diese "verlorenen Kinder" auf ihr Heimatland zurückblicken, dann tun sie dies mit der bitteren Erkenntnis im Herzen, dass sie wahrscheinlich nie wieder ihre Heimat betreten dürfen. Was ihr Verbrechen war? Meist eine eigene politische Meinung oder ihr Widerstand gegen die Willkür und die grausamen Ungerechtigkeiten des Regimes, welches Widerrede nicht duldet und Aufstände mit dem Tode bestraft. Es verbergen sich also Menschen mit Gefühlen, traumatischen Erlebnissen und Ängsten hinter dem Begriff ‚Asylbewerber‘ und keine Schmarotzer.

Der erste Absatz in Artikel 16a besagt, dass alle Menschen, die politisch verfolgt werden und nach Schutz suchen, einen Anspruch auf Asyl haben. Dieser Absatz wurde in der deutschen Verfassung verankert, da in den dreißiger und vierziger Jahren viele Menschen wegen ihrer politischen Ansichten oder Aktivitäten verfolgt und grausam ermordet wurden. Als Lehre aus der Geschichte brauchte es eine sogenannte Großzügigkeit, die gewährleisten konnte, dass Flüchtlinge in ihrer Not sofortige Unterstützung und Aufnahme erfuhren. Hier ging die deutsche Verfassung weitaus weiter als andere Staaten.

Denn nicht nur das Recht auf Schutz ist bei Zusage von Asyl in Artikel 16a Absatz 1 gemeint, sondern bereits das Eintreffen des Schutzsuchenden an der deutschen Grenze und sein Bitten um Schutz bringt die ganze Maschinerie des Asylrechtverfahrens in Gang.

Auch stellt Artikel 16a klar, dass nur Menschen aufgenommen werden, die tatsächlich vor Menschenrechtsverletzungen, Erniedrigungen und Todesgefahr aus ihrer Heimat fliehen. Dieser Sachverhalt muss von den deutschen Behörden überprüft werden und der Asylantragssteller ist verpflichtet, durch Dokumente nachzuweisen, dass er in Gefahr ist. Dementsprechend wird dem Antragsteller solange Aufenthalt und Schutz gewährleistet, solang dieser in Gefahr ist. Sollten die deutschen Behörden ermitteln, dass der Antragsteller z.B. aufgrund von Armut oder einer im Heimatland ausgebrochenen Naturkatastrophe geflohen ist, wird der Antrag abgelehnt, da die genannten Gründe nicht ausreichen. Durch die Erlassung eines Gesetzes, das die Zustimmung des Bundesrates bedarf, kann entschieden werden, welche Länder zu denjenigen gehören, die im Allgemeinen eine rechtsmäßige und politische Stabilität aufweisen, in denen es weder politische Verfolgungen, noch menschenrechtsverachtend und unwürdige Behandlungen oder gar Sanktionen stattfinden. Sollte bei einer späteren Prüfung die Gefahr um Leib und Leben des Antragstellers nicht mehr bestehen, so kann der Asylaufenthalt beendet werden, es sei denn, der Antragsteller oder die Prüfung des Sachverhaltes können dazu führen, dass an der Rechtmäßigkeit der Abschiebung Zweifel bestehen, dann muss ein Gericht weiteres entscheiden.

Die Anzahl der Asylbewerber ist nicht besonders groß. Jedoch sehen diejenigen, die im Bereich des sozialen Engagements tätig sind immer wieder, dass eine Art Abschreckung gegenüber Asylanten mittlerweile praktiziert wird, wie z.B. durch unhygienische Heime und Sammelwohnungen und radikale Kürzungen bis hin zu einem unfreundlichen Umgang seitens der Behörden. Deshalb ist es von Nöten, auf unsere Verfassung aufmerksam zu machen und klarzustellen, welch hohen Rang der Schutz der Menschenrechte besitzt, und dass auch Erniedrigungen in die Spalte der Menschenrechtsverletzungen fallen. Es darf nicht sein, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Sprache oder Nationalität diskriminiert werden und schon gar nicht in ihrer Not. Deshalb sind Organisationen, die sich für die Rechte der Asylbewerber einsetzen nicht wegzudenken.

Wir genießen in Deutschland eine sozial-demokratische Struktur, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes entfaltet hat. Sie gewährt jedem Bürger in Deutschland in Würde zu leben. Dazu gehört auch die Freiheit zu leben, wie man es für angemessen sieht, zu glauben wie man es für Richtig empfindet, sich zu kleiden wie man es als Gut empfindet, und politisch das zu vertreten, wovon man überzeugt ist. Darum darf es auf keiner Instanz in unserer Gesellschaft zu einer Ausbremsung dieser Freiheiten kommen, denn alle Menschen, ganz gleich ob deutsche Staatsbürger oder Asylbewerber, sind vor dem deutschen Gesetz in der Achtung ihrer Menschenwürde gleich.
Saloua Mohammed ist als sozialpädagogische F.H./Streetworkerin tätig und engagiert sich als Menschenrechts- und Friedensaktivistin, sowohl in Deutschland, als auch in Europa und Marokko.