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Dienstag, 22.11.2011

Bundestag verurteilt einstimmig Neonazi-Morde

Der Bundestag hat in einer gemeinsamen Entschließung aller Bundestagsfraktionen den Rechtsterrorismus verurteilt. Bundestagspräsident Lammert bat Angehörige der Opfer um Entschuldigung.

Im Namen aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages hat Parlamentspräsident Norbert Lammert die "Trauer, Bestürzung und Betroffenheit" über die neonazistisch motivierte Mordserie in Deutschland zum Ausdruck gebracht. "Wir sind beschämt, dass die Sicherheitsbehörden der Länder wie des Bundes die über Jahre hinweg geplanten und ausgeführten Verbrechen weder rechtzeitig aufdecken noch verhindern konnten", sagte Lammert. "Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen und eine besondere Bitte der Entschuldigung für manche Verdächtigungen von Opfern und Angehörigen, die sie während der Ermittlungen vor Ort erleben mussten", so Lammert.

Vor Beginn der Debatte hatten sich die fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen auf eine gemeinsame Erklärung, einen sogenannten Entschließungsantrag verständigt. Darin werden die Namen der zehn Todesopfer der Neonazi-Gruppe genannt und Trauer über die Taten bekundet. "Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Morde hervorbringt", heißt es in dem Text.


Vollständiger Wortlaut des Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der vereinbarten Debatte Mordserie der Neonazi-Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Wir trauern um Enver Şimşek und Abdurrahim Özüdoğru aus Nürnberg, Süleyman Taşköprü aus Hamburg, Habil Kılıç München, Yunus Turgut aus Rostock, Ismail Yaşar aus Nürnberg, Theodoros Boulgarides aus München, Mehmet Kubaşık aus Dortmund, Halit Yozgat aus Kassel und Michèle Kiesewetter aus Heilbronn.

Wir fühlen mit den Angehörigen der Opfer, die geliebte Menschen verloren haben. Die Unbegreiflichkeit des Geschehenen, die jahrelange Ungewissheit über Täter und ihre Motive, waren und sind eine schwere Belastung für die Betroffenen.

Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt.

Wir erwarten, dass die Morde mit aller Konsequenz zügig aufgeklärt werden. Das sind wir den Opfern, ihren Familien und Freunden schuldig.

Wir erwarten zugleich, dass Zusammenhänge dieser Mordtaten und ihr rechtsextremistisches Umfeld umfassend ermittelt und mögliche weitere ungeklärte Straftaten einbezogen werden.

II. Die jetzt bekannt gewordenen Zusammenhänge dieser unmenschlichen Verbrechen belegen auf traurige Weise, dass die Strukturen der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene dringend überprüft werden müssen.

Dem Extremismus muss entschieden entgegengetreten werden. Wir alle sind gefordert zu handeln – überall dort, wo Rechtsextremisten versuchen, gesellschaftlichen Boden zu gewinnen.

Wir stehen ein für ein Deutschland, in dem alle ohne Angst verschieden sein können und sich sicher fühlen – ein Land, in dem Freiheit und Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit lebendig sind.

III.Wir sind entschlossen, sowohl die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten und ihren Verbündeten vertieft fortzusetzen als auch die unabdingbaren Konsequenzen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden rasch zu ziehen.

Dazu ist eine umfassende Fehleranalyse unverzichtbar. Aus Fehlern müssen die richtigen Schlüsse gezogen und umgesetzt werden.

Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindliche Parteien haben in unserem demokratischen Deutschland keinen Platz. Deshalb fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf zu prüfen, ob sich aus den Ermittlungsergebnissen Konsequenzen für ein NPD-Verbot ergeben. Die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an Parteiverbote sind zu berücksichtigen.

Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren. Wir werden prüfen, wo dem Hindernisse entgegenstehen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Berlin, den 22. November 2011