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Sonntag, 04.09.2011

Irland wendet sich vom Vatikan ab

Streit zwischen Dublin und Vatikan wegen vertuschter Kindesmissbrauchsfälle spitzt sich zu

Eine von der irischen Regierung in Auftrag gegebene Untersuchung hatte ergeben, dass der Vatikan den irischen Bischöfen in dem Schreiben davon abgeraten hatte, pädophile Priester der Polizei zu melden. Das Ergebnis der Untersuchung hatte die Beziehungen zwischen Irland und dem Vatikan schwer belastet. Der Vatikan hat gar seinen Botschafter aus Irland zurückgezogen.

Ende Juli hatte Kenny den Umgang des Vatikans mit Missbrauchsfällen ungewöhnlich scharf kritisiert. Im irischen Parlament beschwerte er sich über «die Fehlfunktion, die Abkapselung, das Elitedenken und den Narzissmus, welche die Kultur des Vatikans bis zu diesem Tag dominieren». Der Vatikan zog daraufhin seinen Botschafter aus Irland ab.

Der irische Premier Enda Kenny hatte mit Bezug auf den Report dem Vatikan mit ungewöhnlich harschen Worten vorgeworfen, Untersuchungen behindert und die Vergewaltigung von Kindern heruntergespielt zu haben. Anstatt Schritte gegen das Unrecht zu unternehmen, sei der Vorrang der Institution Kirche hochgehalten, ihre Macht und ihr Ruf betont worden. Der Vatikan sei “abgehoben“, sagte der Premierminister. Noch nie zuvor hatte ein hochrangiger irischer Politiker solch harsche Worte in Richtung Vatikan ausgesprochen.

Der vom irischen Justizministerium veröffentlichte Report der Murphy-Kommission kam 2009 zu dem Schluss, dass die Erzdiözese Dublin über mehr als 30 Jahre Kindesmissbrauch durch Geistliche systematisch vertuscht habe. Als “äußerst gravierend” hat der Vatikan die Veröffentlichung einer Reihe von Depeschen der Aufdecker-Website Wikileaks über Papst Benedikt XVI. und den Heiligen Stuhl bezeichnet. Der Vatikan wolle den Inhalt der Depeschen nicht kommentieren, war in einer am Samstag veröffentlichten Presseaussendung zu lesen.

Vatikan wehrt sich gegen Anschuldigen und zieht sein Botschafter ab

Die Anschuldigen der Untersuchung und des Ministerpräsidenten im Bezug auf das Schreiben seien falsch, teilte der Vatikan in seiner Erklärung am Samstag mit. Die irischen Bischöfe hätten diese Richtlinien niemals durch eine offizielle Bestätigung aus Rom verbindlich gemacht.

In dem Schreiben aus dem Jahr 1997 hatte der Vatikan «ernste Bedenken» gegenüber einer neuen Richtlinie der irischen Bischöfe geäußert, derzufolge sie Missbrauch der Polizei zu melden haben. Die Regelung war auf Druck der Öffentlichkeit eingeführt worden, nachdem die ersten vertuschten Missbrauchsfälle in der irischen Kirche ans Licht gekommen waren.

Gleichzeitig argumentiert der Vatikan, dass Irland zu diesem Zeitpunkt kein Gesetz gehabt habe, das die Meldung von Missbrauchsfällen im Arbeitsumfeld verpflichtend mache. Das Schreiben aus dem Jahr 1997 könnte also auf keine Weise bestehendes irisches Recht untergraben haben.

Kirchenrecht vor Staatsrecht?

(Passus/Kommentar aus der FAZ vom 31.08.11)Was nun auch die letzten Gutwilligen einschließlich des Ministerpräsidenten gegen die Kirche aufbrachte, war der Umstand, dass Magee und O'Callaghan, der sich in den siebziger Jahren als progressiver und „pastorale“ Lösungen suchender Theologe einen Namen gemacht hatte, guten Gewissens hatten handeln können. Am 31. Januar 1997 nämlich hatte die vatikanische Kleruskongregation unter Leitung des Kardinals Darío Castrillón Hoyos durch Nuntius Luciano Storero in Dublin die irischen Bischöfe wissen lassen, dass sie die Anzeigepflicht für unvereinbar mit dem Kirchenrecht halte. Das „Framework Document“ binde daher keinen Bischof. Diese wiederum ließen das die Öffentlichkeit nicht wissen, sondern beließen diese in dem Glauben, sich an die selbstgesetzten Regeln zu halten.

Ein Monat ist seit der aufsehenerregenden Rede Kennys vor dem Unterhaus vergangen. In Zeitungen und Zeitschriften wird über die Trennung von Staat und Kirche und die Auswirkungen des neuerlichen Skandals auf das Verhältnis von Regierung und Vatikan räsoniert. Am Montag warf Kardinal Brady der Regierung nun vor, das Beichtgeheimnis aushebeln zu wollen. Jeder Vorschlag, der die Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses untergrabe, richte sich gegen „das Recht jedes Katholiken auf Religions- und Gewissensfreiheit“, beklagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz mit Blick auf einen Gesetzentwurf, nach dem Geistliche jeden Verdacht auf Kindesmissbrauch bei der Polizei melden müssten - selbst dann, wenn sich dieser Verdacht aus Beichtgesprächen ergeben sollte. Das Justizministerium reagierte prompt und scharf auf die Äußerung des Kardinals: Das geplante Gesetz werde ohne Rücksicht auf „interne Regeln religiöser Gruppen“ umgesetzt.