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Leserbriefe

Freitag, 04.01.2002



J.H. Schmitt schrieb:


Liebe Forum-Leser,

ich möchte Euch auf eine Entwicklung aufmerksam machen, die alle unter Euch, die sich vielleicht etwas naiv über die Einführung islamischer Professuren oder Besuche des Bundespräsidenten freuen, erschrecken muß.

In der von mir bisher hoch geschätzten Zeitschrift "DER SPIEGEL" zeichnet sich seit wenigen Wochen eine bestürzende Kehrtwende zu kolonialistisch-rassistischer Hetze gegen den Islam und seine Anhänger ab.

So erschien bereits in der Ausgabe vom 17.12.01 ein Artikel, der sich GEGEN die Dialogbemühungen zwischen den Kirchen in Deutschland und den einzelnen Moscheegemeinschaften wendet. Dem Verfasser geht es vordergründig darum, klarzustellen, daß viele Moscheegemeinschaften von sogenannten "Fundamentalisten" dominiert werden; damit hat er wahrscheinlich Recht, doch geht es ihm letztendlich darum, die Muslime insgesamt von gesellschaftlicher Mitsprache fernzuhalten, eine eigennützige Beeinflussung der deutschen Öffentlichkeit durch Muslime, wie sie jeder anderen gesellschaftlichen Gruppierung offensteht, zu verhindern. Der Autor wünscht, daß nur solche Muslime, die sich von ihrem Glauben abwenden, so wie etwa Cem Özdemir von den GRÜNEN, noch an der deutschen Gesellschaft teilnehmen dürfen.

Doch mit dem Artikel "Die unverschleierte Würde des Westens" in der Ausgabe 52/2001 tritt der Kulturkampf der SPIEGEL-Redaktion gegen den Islam endgültig zutage. Das Fazit des Artikels, das ich hier, auch wegen der Komplexität und Länge des Artikels nur unzureichend verkürzt wiedergeben kann, lautet in etwa: "DER 11.SEPTEMBER LEGITIMIERT ERST RECHT DIE FORDERUNG NACH EINER WEITEREN KULTURELLEN VERWESTLICHUNG DER WELT" (siehe Zitat auf S. 66 der Ausgabe 52/2001).

Diese katastrophale Aussage, die ja schon allein deshalb sachlich angreifbar ist, weil bereits die Bestimmung des Westlichen Schwierigkeiten macht, ist eine KAMPFANSAGE an all jene Völker, die seit Jahrhunderten unter der kolonialen Peitsche leben müssen, darunter auch nahezu alle muslimischen Völker.Auch wenn ihre Staaten formell souverän sind, so müssen sie sich doch nach den Anweisungen der UNO, deren Charta die Staaten zur Erlangung ihrer Unabhängigkeit unter Zwang unterschreiben mußten, den Wünschen jüdisch-westlicher Investoren, den Befehlen der sogenannten Geberländer unterwerfen.

Die Aussage ist in ihrer unausgesprochenen Konsequenz so brutal wie mittelalterlich; denn wer die Welt verwestlichen will, der muß dies ja mit Gewalt oder mit List tun, jedenfalls ohne den Willen der betroffenen Völker; der (weiße christlich-jüdische Westen) hält sich also selbst nach Hitler und Stalin, nach der Ausrottung von 30 Milionen nordamerikanischer Ureinwohner, nach der Versklavung von dreihundert Millionen Afrikanern, immer noch für etwas grundlegend Besseres. Daß in der westlichen Kultur mindestens ebensoviel Unheil, mindestens ebensoviel Gewalt angelegt sind, die immer wieder duch manische Einzelcharaktere hervorgekehrt werden, wird den Lesern unterschlagen.

Wer entgegen den Wünschen oder unter Ausnutzung der nackten Not (als Beispiel: was bleibt den Hungernden Afghanen denn anderes übrig, als ihre Befreier zu bejubeln?) Menschen zur Annahme des westlichen Denkens NÖTIGEN will, der mißachtet gerade ein wesentliches, anerkennenswertes Prinzip des Westens (das jedoch auch dem Islam nicht fremd ist): eine grundsätzliche Selbstbestimmung des Einzelnen innerhalb der von im Einzelfall zu bestimmenden Gemeinschaftsinteressen; umso mehr die Selbstbestimmung ganzer Völker.

Die Verfasser der Hetzschrift sprechen also mit GESPALTENER ZUNGE, als wollten sie den verirrten Seelen um Osama bin Laden gerade beweisen, daß der Westen tatsächlich die Schlange ist, deren Haupt er abschlagen wollte.

Bei dem Artikel handelt es sich nicht etwa um einen Gastkommentar oder die Wiedergabe einer redaktionsfremden Meinung, sondern gleich mehrere Redakteure zeichnen verantwortlich; der bisher so gemäßigte, teilweise sogar kritische SPIEGEL scheint sich einer Ideologie (die Überlegenheit des Westens) angeschlossen zu haben, in deren Namen seit Jahrhunderten Völkermord begangen wird: AM WESTLICHEN WESEN WIRD DIE WELT GENESEN.

Alle Muslime sollten ihren Gesprächspartnern deutlich machen, daß Deutschland und die Welt ganz im Gegenteil zur im SPIEGEL vertretenen Auffassung ISLAMISCHER werden müssen, wenn eine Einbindung der Muslime ermöglicht werden soll. Leider herrscht über den Inhalt dieses Begriffs unter Muslimen nicht der Ansatz von Einigkeit; deshalb muß, bis dieser Begriff wieder mit Leben gefüllt ist, die VERWESTLICHUNG GESTOPPT werden, um den Muslimen Gelegenheit zu bieten, einen tragfähigen Gegenentwurf (quasi ein muslimisches "Amerika") zu entwickeln.

Die Verfasser wollen die Schwäche des Islam, die sowohl vom Westen als auch von innen (siehe die manipulative und dem Westen dienende Politik der verräterischen Saudi-Führung) kommt, nutzen, um den Islam zu vernichten, um die Muslime von stolzen Wölfen zu kriechenden Hunden zu machen.

Ich rufe alle muslimischen und nicht-muslimischen Leser, die noch an Gerechtigkeit glauben, die dafür eintreten, daß man den bereitsam Boden Liegenden nicht noch weiter prügelt, dazu auf, bestehende SPIEGEL-Abonnements zu KÜNDIGEN, bis eine redaktionelle Wende eintritt.
Dabei sollte der Grund für die Kündigung deutlich werden, um der Redaktion Gelegenheit zu geben, ihren erschütternden Fehltritt zu berichtigen.

Frohe Weihnachten

J.H. Schmitt