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Grußwort


Das ereignisreiche Jahr 2010 stellt für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger muslimischen Glaubens eine Zäsur dar. Da waren Thilo Sarrazins anti-muslimische Agenda und die bürgerliche und mediale Begeisterung für dessen Ansichten, die etlichen Moscheeanschläge, die in dieser polarisierenden Atmosphäre stattfanden und das merkwürdige gesellschaftliche und politische Schweigen darüber, sowie die heftigen Reaktionen auf die Rede des Bundespräsidenten, der die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck brachte, dass auch der Islam inzwischen ein Teil Deutschlands ist.
Muhammad Sameer Murtaza

Bei all der Vielfalt in unserem Land stellt sich zunehmend die Frage, was unsere Gesellschaft überhaupt noch zusammenhält. Vorschnell und viel zu leichtfertig werden Abgrenzungsversuche unternommen und Mitbürger muslimischen Glaubens als Abgrenzungsfläche sozial marginalisiert. Es gibt wieder ein Interesse an Wir-hier-die-da-Unterscheidungen und dem Verächtlichmachen von Minderheiten. Zugleich muss ehrlicher weise zugegeben werden, dass in der Tat bis heute ein Teil der hier lebenden Muslime nur auf die eigene Community fixiert sind. Doch Moscheen und muslimische Jugendvereine sollten sich auch als Teile der autonomen Bürgerschaft verstehen und nicht als Rückzugsort, an dem eine künstliche Alternativgesellschaft gelebt wird. Eine stärkere Partizipation muslimischer Mitbürger ist daher nicht nur wünschenswert, sondern dringend erforderlich.

Ab- und Ausgrenzungsversuche bestärken nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern schwächen und endsolidarisieren unser Land. Angst vor Rassismus, Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung, aber auch Angst vor Überfremdung, gar Islamisierung führen zu gesellschaftlichen Verwerfungen. Richard von Weizsäcker mahnte uns in seiner berühmten Rede vom 8. Mai 1985 miteinander zu leben, nicht gegeneinander.

Zur Normalität des Zusammenlebens gehört es, dass wir aufhören sollten, uns als Muslime/Nichtmuslime, Christen/Nichtchristen wahrzunehmen. Vielmehr sollten wir uns gegenseitig als Einwohner, Bürger und Nachbarn sehen. In einer toleranten Gesellschaft darf der Name, die Hautfarbe oder die Religion kein Hindernis für Partizipation sein.

Damit eine Gesellschaft bei aller Vielfalt nicht zerreißt, braucht es Leitlinien und Orientierung. Also eine verbindende Klammer –verbindliche Werte und Normen –, über die Konsens herrscht. Dies kann in der Bundesrepublik Deutschland nur das Grundgesetz sein.

Der Zentralrat der Muslime will mit dem Projekt „Das Grundgesetz im (Migrations)-Vordergrund seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Künftig wird alle zwei Wochen ein Essay zu einzelnen Grundgesetzartikeln herausgegeben und in den angeschlossenen Moscheevereinen als Handreichung in die muslimische Community weitergetragen. Auf diese Weise erhoffen wir uns, den hierlebenden Muslimen unsere Verfassungswerte näher zu bringen.

Wir sind eine Gesellschaft. Jenen Menschen, die als Migranten nach Deutschland kamen, ist Deutschland zur neuen Heimat geworden. In unserem Staat hat ein Wir und Die Denken keinen Platz. Deutschland, das sind wir alle, jeder einzelne von uns. Deutschland ist unsere gemeinsame Heimat. Das Grundgesetz ist das Fundament unserer Gesellschaft und sollte daher immer im Vordergrund stehen.