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Dienstag, 15.02.2011

Misstrauensdiskurs des Familienministeriums schadet zivilgesellschaftlichem Engagement

Wolfgang Thierse, Sachsen-Anhalts Innenminister und die Zentralräte der Juden und Muslime stellen sich dagegen – Gemeinsame Bundespressekonferenz

In der Diskussion über die umstrittene „Extremismusklausel“ haben die Zentralräte der Juden und Muslime und der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Klausel scharf kritisiert und sich dafür ausgesprochen die von Familienministerin Schröder verordnete Praxis wieder zurückzunehmen. Auch Wolfgang Thierse (SPD), Vizeparlamentspräsident und Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen sprachen sich gegen die „Stigmatisierung“ von Projektträgern aus.

Familienministerin Kristina Schröder hatte in ihrem Ministerium durchgesetzt, dass ab 2011 Projekte gegen Rechtsextremismus nur noch Fördergelder vom Bund erhalten, wenn sie eine Erklärung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abgeben und sich verpflichten, potenzielle Partner auf Verfassungstreue zu kontrollieren. Initiativen gegen rechts hatten vor allem gegen diese „Bespitzelungsklausel" protestiert.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisiert die Klausel deutlich: „Wer den Initiativen gegen Rechtsextremismus die Beweislast für die demokratische Gesinnung ihrer Mitbürger übertragen will, der sät eine Kultur des Misstrauens“, so Thierse. Auch aus der Koalition kommen kritische Stimmen zu den Plänen. ''Ich habe großes Vertrauen in die Träger, die sich schon seit Jahren im Kampf gegen Rechtsextremismus engagieren'', sagte der in der FDP-Bundestagsfraktion für das Thema zuständige Innenpolitiker Stefan Ruppert der ''taz''. ''Deshalb vertraue ich darauf, dass auch ihre Partner keine Verfassungsfeinde sind.'' Dennoch ließ die Bundesrgeirung zeigt sich die Bundesrgegierung bisher unbeeindruckt und will die umstrittenen Klausel durchsetzen.



Die Klausel behindere Initiativen gegen Rechtsextremismus, statt sie zu unterstützen und säe zudem „kollektives Misstrauen“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, letzte Woche in Berlin auf der gemeinsamen Bundespressekonferenz (siehe Bild) der Zentralräte von Juden und Muslime zusammen mit Sachsen-Anhalts Innenminister. Eine gerichtliche Klage gegen die Klausel schloss er nicht aus.

"Leute, die sich engagieren, werden so unter Generalverdacht gestellt", sagte Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, „ dies ist eine Erfahrung, die Muslime seit dem 11. September vermehrt machen.“ und ergänzte: „Ausgangspunkt dieses Bekenntniszwangs ist Misstrauen.“ Der Kampf gegen Extremismus und für Demokratie sei eine wichtige Aufgabe der Zivilgesellschaft und diese dürfe nicht durch solch eine Klausel unter Generalverdacht gestellt werden.

Holger Hövelmann sieht das mit seinen Erfahrungen als Innenminister von Sachsen-Anhalt ähnlich. In Sachsen-Anhalt habe man jahrelang gebraucht, die Menschen dazu zu bringen, sich für eine demokratische Gesellschaft zu engagieren. Jetzt, wo es solche Strukturen gebe, werde das Engagement der Menschen unter Verdacht gestellt, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.

Es gibt übrigens sehr wohl ein gesundes Misstrauen; diese Arbeit gehört aber im Bereich der Geheimdienste, welche im Dienste der Demokratie unterwegs sind. Wird dieser Diskurs jedoch über ein Ministerium ausgeweitet – in dem Fall das Familienministerium-, vermengt man dieses Aufgabe (Kontrolle und Unterstützung) und stellt zudem den Staat als Partner und Anwalt zivilgesellschaftlichen Engagements nachhaltig in Frage mit unübersehbaren nachteiligen Folgen.