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Mittwoch, 09.02.2011

Ehrfurcht vor dem Leben

Abgeordnete verschiedener Fraktionen (CSU, SPD und GRÜNE) wollen Gentests an Embryonen verbieten – Kirchen weitestgehend dagegen – ZMD prüft muslimische Antwort

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland prüft z.Z. im Rahmen einer Anfrage durch seinen islamischen Gutachterrat an verschiedenen Fetwa-Räte in der Welt, inwieweit eine qualifizierte Stellungnahme zum Gesetzesverfahren abgegeben werde kann.

In den Grundquellen (Koran und Sunna) des Islams bezüglich Präimplantationsdiagnostik (PID) gibt es keine direkten oder indirekten Bestimmungen. Angesichts dieser Unklarheiten und der komplexen ethischen Fragestellungen hinsichtlich PID, ist es nicht erstaunlich, dass die PID bis dato in der islamischen Welt nicht einheitlich beurteilt und gesetzlich geregelt wird.

Es gibt sowohl Gelehrten die für und gegen PID sind. Die zustimmenden Positionen stützen sich oft auf die Embryonenbeseelung, die dem Embryo einen gewissen moralischen Status verleiht. Danach ist eine Embryonenselektion vor der Embryonenbeseelung – die je nach Rechtsschule am 40-45., 80. oder 120. Tag stattfindet – aufgrund einer Krankheit durchaus vertretbar.

Die Gegenposition lehnt dagegen unabhängig vom Zeitpunkt der Beseelung eine Krankheit als einen triftigen Grund für die Verwerfung des menschlichen Embryos ab. Laut dieser Position bekommt der Mensch nach islamischem Glauben seinen eigentlichen Wert nicht erst durch körperliche und geistige Fähigkeiten. Eine weitestgehend einheitliche Position gibt es in der innerislamischen Diskussion, wenn eine das mütterliche Leben in Gefahr bringende Schwangerschaft durch PID verhindert werden kann.

Kirchen kritisch

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnte vor der „Gefahr eines Dammbruchs“. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck fordert ein gesetzliches Verbot der PID. Auch aus der evangelischen Kirche kamen skeptische Stimmen zur PID. Der evangelische Landesbischof in Bayern, Johannes Friedrich, sagte, die PID-Zulassung sei „für Christen nicht zu akzeptieren“. Mit der PID würde von Rechts wegen ein Instrument geschaffen, „das erklärtermaßen das Ziel der Selektion“ verfolge. Er sei der „tiefen Überzeugung“, dass die PID die Grenze des ethisch Verantwortbaren überschreite, auch wenn er die Sorgen und Ängste von Eltern verstehe, die fürchten, ein krankes oder behindertes Kind zu bekommen.

Der Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland Nicolaus Schneider sieht das nicht so rigoros. Bislang sei die Einbeziehung der Mütter in den ethischen Überlegungen nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ihm sei aber auch bewusst, wie schwer es wäre, die Grenzen der PID festzuschreiben. Darüber hinaus könnten mögliche Behinderungen der Kinder auch durch die gentechnische Untersuchung des Embryos im Reagenzglas nicht ausgeschlossen werden, sagte der Ratsvorsitzende weiter.

Was ist PID?

Die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, ist ein Gentest, mit dem Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf genetische Fehler untersucht werden können. In Deutschland galt sie als verboten, bis der BGH im Sommer erklärte, dass die Untersuchung bei Paaren mit schweren Erbkrankheiten nicht strafbar sei. Seither arbeiten fraktionsübergreifend mehrere Gruppen von Abgeordneten an Gesetzesentwürfen, die die rechtliche Situation klären sollen. Dennoch ist der Bundestag in dieser Frage gespalten, es deutet sich sogar an, dass unter Maßgabe ethischer Bedingungen es zu einem Ja für die die PID kommen kann. Die abstimmungeen beginen in wenigen Tagen


Fraktionsübergreifender Antrag: Klares Nein?

Der nun vorgestellte Antrag, der auch von Kanzlerin Angela Merkel unterstützt wird, spricht sich am klarsten für ein Verbot der Tests aus. Unterstützer findet er vor allem in der Union. Die CDU hatte sich erst auf ihrem Parteitag im November für ein klares PID-Verbot ausgesprochen. Zu den Unterzeichnern des Antrags gehören aber auch Abgeordnete aus allen anderen Parteien. 'Das Verbot der PID darf keine Ausnahme kennen', sagte etwa die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt. Sonst bestünde die Gefahr, dass 'der Staat oder von ihm Beauftragte darüber entscheiden, welches Leben lebenswert ist.' Die Bundestags-Vize ist seit 2009 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit Mitglied im Rat der Evangelische Kirche in Deutschland.

Ärzte dürfen nicht darüber entscheiden, welches Leben lebenswert ist und welches nicht. Deshalb dürfen sie im Reagenzglas gezeugte Embryonen bei einer künstlichen Befruchtung auch nicht auf Erbkrankheiten untersuchen und die kranken verwerfen. Diese Auffassung vertritt eine Gruppe von Abgeordneten um den Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU), die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Die Gruppe präsentierte am Montag einen Gesetzesentwurf für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik ( PID). 'Eine Qualitätskontrolle von menschlichem Leben wollen wir nicht zulassen', begründete Singhammer den Antrag.

Es ist diese Angst vor der eugenischen Auswahl, die die Gegner der PID eint. Mit der PID aber würde genau dieser Selektionsgedanke in die deutsche Rechtsordnung eingeführt. Den PID-Gegnern geht es auch um die Situation von Menschen mit Behinderung, die durch 'den um sich greifenden medizinischen Optimierungsgedanken' diskriminiert werden könnten, so der Antrag. 'Wir stehen an der Seite der Eltern, die sich ein Kind wünschen', sagte Singhammer. 'Aber wir stehen auch an der Seite der Eltern, die ein behindertes Kind haben und nicht unter Rechtfertigungsdruck geraten dürfen.