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Samstag, 18.12.2010

Reinhard Baumgarten: "Gesichter des Islam" - Buchbesprechung

Am 5.12.2010 lief in der ARD die letzte Folge der vierteiligen Dokumentation „Gesichter des Islam.“ Die Serie beruht auf dem Werk von Reinhard Baumgarten, der ein gleichnamiges Buch verfasst hat. Der Autor hat Islamwissenschaften und Arabistik studiert und war viele Jahre als Korrespondent der ARD in Kairo tätig. Seit 2006 arbeitet er im Ressort Religion, Kirche und Gesellschaft beim Südwestrundfunk (SWR) in Stuttgart.

Gleich am Anfang teilt uns der Verfasser mit: „Das Thema Islam mit all den verschiedenen Facetten ist viel diskutiert, insbesondere in den letzten Jahren und nach den Ereignissen des 11. September 2001. Aber was ist der Islam? Der Islam hat viele Gesichter: schöne und hässliche, faszinierende und abschreckende, bedrohliche und versöhnliche.“

Baumgarten hat sich in Asien, Arabien und Europa auf die Suche gemacht nach all dem, was der Islam ist. Man muss als Leser anerkennen, der Autor ist fündig geworden. Sprach einst Spengler sorgenvoll vom „Untergang des Abendlandes“, zieht Baumgarten, der Mann aus dem Abendland, hinaus ins „Morgenland.“ Er beschreibt aus Sicht des Mannes aus dem Abendland offen und ehrlich über das Erlebte. Das sind sowohl geschichtliche Stätten als auch Orte der Blüte der Kulturen. Er geht den Fragen nach, wie leben heute eigentlich die Muslime und welche Ausprägungen hat in den betreffenden Ländern der Islam. Durch die Reisen stellt Baumgarten fest, der Islam hat durchaus unterschiedliche Ausprägungen. Was für die säkulare Türkei gilt, muss nicht zwangsläufig auch so in Indonesien, das Land „mit dem lächelnden Islam in Fernost“ gelten. In „Spanien, der Brücke zwischen Morgen- und Abendland“ wiederum gilt anderes als in Saudi-Arabien, wo man ein „Ringen von Tradition und Moderne“ beobachten kann.

Das ist für den Verfasser selbst keine Revolution, die er da zu Tage fördert. Das Christentum hat auch diese unterschiedlichsten Facetten. In einem gutangelegten Garten blühen ebenfalls unterschiedlichste Blumen, die zusammenbetrachtet ein für den Gärtner und Besucher harmonisches Farbenbild darstellen. Dieses Farbenbild im übertragenen Sinne liefern fast 130 farbige Abbildungen in dem 176 Seiten umfassenden Buch. 3 Karten gehören ebenfalls zum Bestandteil des Werkes.

Baumgarten berichtet nicht nur sehr informativ und sachlich, er lässt auch andere, ausnahmslos die Muslime selbst, zu Wort kommen. Hier spiegeln sich auch „die unterschiedlichsten menschlichen Facetten.“ Da erfahren wir von einer Künstlerin aus der Türkei, die blondgefärbte Haare und einen Nasenring trägt, wie sie glaubt. Nobelpreisträger wie die Iranerin Shirin Ebadi (Friedensnobelpreis) kommen zu Wort wie der Ägypter Ahmad Zeweil (Chemienobelpreis) wie sie es so mit dem Glauben halten. Der aus Ägypten stammende Literaturwissenschaftler Nasser Hamid Abu Zaidt stand Reinhard Baumgarten als Gesprächsparten zur Verfügung. Die Regierungsverantwortlichen in Kairo sorgten bei dem Literaturkenner einst für dessen Ausbürgerung und setzten eine Zwangsscheidung durch. Kurz nach dem Interview mit dem SWR- Korrespondenten verstarb der Gelehrte.
Auf Deutschland bezogen erinnert Baumgarten an das Zitat von Wolfgang Schäuble: „Der Islam ist Teil Deutschlands.“ Sofort erklärt der Schriftsteller auf Seite 63: „Viele Deutsche möchten dem CDU-Granden nur bedingt oder gar nicht zustimmen. Sie stehen Muslimen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Auch wenn- oder gerade weil –sie nicht viel über die zweitgrößte Weltreligion wissen. Persönliche Begegnungen können helfen, Vorbehalte dem Neuen Teil Deutschlands gegenüber abzubauen.“

„Fremd ist nur, was man noch nicht kennt.“

Reinhard Baumgarten hat sorgsam und gefühlvoll dazu beigetragen, dass man sich kennen lernt. Das Werk ist besonders für Leser geeignet, die kein Vorwissen über die Weltreligion Islam mitbringen. Der Autor erklärt Begriffe wie „Die 5 Säulen im Islam“ und liefert auch Zahlen, Daten, Fakten.

Eine persönliche Anmerkung sei mir an dieser Stelle gestattet: Man merkt, der Schriftsteller hat nicht nur Papier und Bleistift benutzt, um sein Werk anzufertigen. Er hat auch mit Liebe und Sachlichkeit gearbeitet, er hat vom Herzen aus geschrieben. Das bedeutet, das Buch wird nicht der große Reißer in den Buchläden werden, obwohl es ein sehr lesenswertes Buch ist. Schreibt jemand über „Muslime und Gene und Faulheit und Radikalität und Unvereinbarkeit mit dem Willen zur Integration“ füllen solche rassistisch ausgerichtete Werke Regalweise die Buchhandlungen. Da darf auch einmal die Frage aufgeworfen werden, was läuft hierzulande, im Abendland, falsch, wenn Sachlichkeit und „Fair Play“ wie bei Baumgartens Werk nicht annähernd den Stellenwert haben werden wie demagogisch ausgerichtete Werke.
Das ist aber schon wieder- um in der Buchsprache zu bleiben- ein anderes Kapitel. (Volker- Taher Neef)

„Gesichter des Islam“ von Reinhard Baumgarten ist im Stuttgarter Theiss- Verlag erschienen. Das Werk kostet 24,90 Euro. Die ISBN lautet: 978-3-8062-2374-3.