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Samstag, 23.10.2010
Spielsucht und Politik
Fast 300000 Menschen in Deutschland gelten als süchtig - die Länder schlagen Alarm und der Umsatz wächst, auch weil der Staat davon profitiert
Die Geschichten von Spielsüchtigen klingen immer dramatisch, weil sie meist in eine persönliche Katastrophe enden. Experten schätzen, dass bis zu 290000 Menschen in Deutschland betroffen sind - die meisten von ihnen hängen an den Automaten, vernachlässigen Familie und Arbeit, ein Teufelskreis, der da wächst.
Mittlerweile blinken in Deutschland 212000 Glück-Spielautomaten, Tendenz weiter steigend. 3,34 Milliarden Euro steckten die Kunden vergangenes Jahr in die Geräte, 2005 waren es erst 2,35 Milliarden Euro. Viele Spielhallen haben praktisch rund um die Uhr geöffnet. Manche Kommunen versuchen, den Boom mit strengeren Vorschriften, zum Beispiel für Parkplätze, zu bremsen. In Teilen aber nur halbherzig, da sie selber auch Profiteure sind, eben durch die Steuereinnahmen des Glückspielbetriebes.
Dass die Länder das Thema jetzt so offensiv angehen, ist auch aus einem anderen Grund alles andere als uneigennützig. Sie sind unter Druck geraten durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Es passe nicht zusammen, urteilten die Richter, dass der Staat sich auf den Schutz vor Spielsucht berufe und eisern ein Monopol auf das eher harmlose Lottospielen verteidige, aber die viel riskanteren Automatenspiele unkontrolliert wachsen lasse. Seit diesem Urteil wackelt das deutsche Monopol. Die Länder wollen es verteidigen, schließlich beschert es ihnen jedes Jahr sichere Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Der einzige Weg, sie zu bewahren, führt über ein hartes Vorgehen gegen die Automatenbranche. Folglich dient der Druck auf die Industrie auch dem eigenen Haushalt.
Letzten Donnerstag und Freitag diskutierten Regierungschefs in Magdeburg über die heikle Frage. Einig sind sie sich bisher nicht. Schleswig-Holstein will das Monopol aufgeben, FDP-Landesminister verlangen zumindest die teilweise Öffnung für private Wettanbieter. Indessen setzt die Automatenindustrie auf Bewährtes: ihren engen Draht zur Politik. Regelmäßig stellen die Verbände und Firmen ihre Geräte bei Parteitagen auf, auch bei Sommerfesten sorgen sie gern für Unterhaltung. (Quelle: SZ und Eigene)