islam.de - Druckdokument - Druckdatum: Montag, 18.11.24
http://www.islam.de/16135.php


islam.de - Alle Rechte vorbehalten

Freitag, 30.07.2010

Premier David Cameron :„Werte des wahren Islam mit den Werten Europas nicht inkompatibel“

Großbritannien hofiert Ankara, solidarisiert sich mit den Türken in der Frage des Nahostkonfliktes und wirft Deutschland und Frankreich Doppelmoral in Sachen EU-Beitritt vor

Bei seinem Besuch in der Türkei mischte sich Großbritanniens Premier David Cameron so sehr in den scheinbar unlösbaren Nahostkonflikt ein wie noch nie, als er den blockierten Gaza-Streifen als ein „Gefangenenlager“ bezeichnete. Obwohl er sich schon zuvor in ähnlicher Weise geäußert hatte, gab die Entscheidung, diese Worte nach dem Angriff der israelischen Armee auf die sogenannte Gaza-Flotte zu wiederholen, Camerons Einlassung eine wesentlich größere diplomatische Bedeutung.

Auch in anderer Hinsicht verbündete sich Cameron mit seinen türkischen Gastgebern. Er stellte den Widerstand Deutschlands und Frankreichs gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei in Frage gestellt und warnte eindringlich vor den Gefahren, die ein Ausschluss Ankaras „aus dem Club“ mit sich bringen würde. In einer leidenschaftlichen Verteidigung der Türkei, für deren EU-Ambitionen sich Großbritannien schon seit langem stark macht, warf der britische Premier Deutschland und Frankreich Doppelmoral vor: Einerseits erwarte man von Ankara, als Nato-Mitglied die europäischen Grenzen zu beschützen, andererseits schlage man dem Land aber gleichzeitig die Tür zur EU-Mitgliedschaft vor der Nase zu.

„Wenn ich daran denke, welche Verdienste sich die Türkei als Nato-Mitglied für die Verteidigung Europas erworben hat und was sie in Afghanistan zusammen mit unseren europäischen Verbündeten leistet, dann macht es mich wütend, wenn Ihre Fortschritte auf dem Weg zu einer EU-Mitgliedschaft so zunichte gemacht werden, wie dies geschehen ist“, sagte Cameron bei einer Rede in der türkischen Hauptstadt Ankara. „Ich halte es für falsch zu sagen, die Türkei kann das Lager bewachen, aber sie darf nicht im Inneren des Zeltes Platz nehmen.“ Cameron hatte diese Worte in seinen Türkei-Besuch bei einem Abendessen mit Premierminister Erdogan gesagt.

Die deutlichen Worte, die Cameron in seiner Rede fand, spiegeln die britische Enttäuschung darüber wider, dass die Verhandlungen mit Ankara praktisch schon auf Eis liegen, seit sie 2005 formell aufgenommen wurden. Und sie kommen zu einem Zeitpunkt, da in Großbritannien die Angst wächst, die deutsch-französische Ablehnung einer türkischen EU-Mitgliedschaft könnte Ankara dazu bringen, sich von der EU abwenden und sein Glück stattdessen im Osten zu suchen. In London ist man der Ansicht, der jüngste Bruch zwischen Ankara und Tel Aviv im Zuge des Streits um die Tötung sieben türkischer Staatsbürger beim Stopp der „Free Gaza“-Flotte wäre leichter zu bewältigen gewesen, wenn die Türkei im Westen eine Zukunft für sich sähe.

Cameron sagte, die Türkei müsse das Gefühl haben, in Europa willkommen zu sein, schließlich sei sie ein säkularer und demokratischer Staat. Ausdrücklich wandte er sich auch an die muslimische Mehrheit der Türken, indem er betonte, wie wichtig der Islam für Europa sei: „Ich werde immer die Auffassung vertreten, dass die Werte des wahren Islam mit den Werten Europas nicht inkompatibel sind, und dass Europa sich nicht über Religion definiert, sondern über Werte.“

Die Türkei müsse allerdings die innenpolitischen Reformen weiter vorantreiben, um auf dem Weg zum EU-Beitritt weiter voran zu schreiten. Die Türkei hat bislang nur sehr zögerlich Reformen durchgeführt, um sich in Einklang mit den liberalen Traditionen der EU zu setzen. „Ich fordere Sie nicht auf, ein anderes Land zu werden, Ihre Werte, Traditionen und Ihre Kultur aufzugeben. Wir wollen Sie als Türkei, denn nur als solche können Sie die einzigartige Rolle spielen und, wie ich beschrieben habe, zur Erhöhung der Sicherheit und des Wohlstands für alle unsere Bürger beitragen. Aber wir möchten, dass Sie die von der EU geforderten Reformen offensiv vorantreiben.“ (Auszüge aus einem Kommentar von Denis McShane/www.freitag.de)