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Montag, 12.07.2010

Tod, Leid und Zivilisation

16.744 Schuhe für 8.372 Tote - Gedenk- und Mahnaktion für Srebrenica am Brandenburger Tor - Von Jörg Hanusch

Berlin - Wenn sich Tausende von Schuhen am Brandenburger Tor, gleich neben der aktuellen Fussball-WM Fanmeile in Berlin türmen, dann machen Mengen von Touristen ihr Erinnerungsfoto. Sie tragen damit einen gellenden Ruf der Gesellschaft für bedrohte Völker rund um die Erde. Eine Anklage, die kaum eindringlicher und anschaulicher gemacht werden könnte. Denn dieser Haufen aus alten Sandalen, kaum genutzten Sportschuhen, ausgetretenen Halbschuhen, rosa Kinderschüchen und offensichtlich viel getragenen Gummistiefeln, der in der erbarmungslosen Sonne bratend nicht nur einen tiefen visuellen Eindruck verbreitet – dieser Haufen besteht u.a. aus Schuhpaaren der unschuldigen Opfer des Massakers von Srebrenica im Juli 1995. Insgesamt 560 Frauen und 7812 Männer wurden dort vor den Augen der medialen Weltöffentlichkeit und unter tatenlosem Zusehen der UN-Blauhelme von Serben grausam niedergemetzelt.

16.744 Schuhe für 8.372 Tote, die hier am 15. Jahrestag des Versagens der Menschlichkeit die Welt mahnen. So will das "Zentrum für politische Schönheit" (Berlin) mit dem Schuhberg, aus dem später eine weithin sichtbare "Säule der Schande" bei Srebrenica errichtet werden soll, das Versagen des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) ins Gedächtnis gerufen, der den Genozid in Bosnien nicht verhindert hat. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) richtete auf großformatigen Transparenten Forderungen an die Regierungen der europäischen Länder, die nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation tief in Bosniens Schuld stehen. Sie sollen u.a. endlich dafür Sorge tragen, dass der gesuchte mutmaßliche Hauptkriegsverbrecher Ratko Mladic vor Gericht gestellt, den Bosniaken Visafreiheit gewährt, ihr Land in die EU und die Nato aufgenommen, wiederaufgebaut und wiedervereinigt wird. Denn die Folgen der damaligen Katastrophe dauern an und viele Täter sind noch immer in Freiheit!

Wer diese Aktion miterlebt hat und sich Zeit für ein Gespräch mit den überlebenden Bosniaken genommen hat, dessen Weltbild und dessen Verständnis von “Zivilisation” erfordert sicherlich ein ernsthaftes Überdenken. Denn jedes einzelne Paar Schuhe erzählt seine ganz individuelle Geschichte von Panik, Hilferufen, Leid und Tod!