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Sonntag, 11.04.2010
Schwimmunterricht und Schule – Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Ahmed Kreusch
Immer wieder tauchen in den Medien Meldungen auf, dass muslimische Eltern ihre Töchter vom sogenannten „koedukativen Schwimmunterricht“ fernhalten wollen. Dabei wird deutlich dem Islam die Schuld gegeben, er wird als rückständig und frauenfeindlich dargestellt. Dass es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes geht, wird dabei schlicht verdrängt: es geht um die berechtigte Sorge von Eltern, die ihre Kinder vor einer zunehmend sexistischen Verrohung unserer Gesellschaft schützen möchte. Schon seit Jahren wird diese Entwicklung bei den Kindern an unseren Schulen beobachtet, sie hat inzwischen längst unsere Grundschulen und sogar die Kindergärten erreicht.
Dazu ein persönliches Erlebnis:
Ende der 90er Jahre hatte ich als Architekt die Aufgabe, die alten Gebäude der Hauptschule einer kleinen Stadt im Rheinland zu erweitern und zu modernisieren. Dabei lernte ich den Schulleiter gut kennen und wurde einmal von ihm um Rat gefragt: ein türkischer Vater hatte darum gebeten, sein Tochter vom Schwimmunterricht, der im nächsten Schuljahr beginnen sollte, zu befreien. Ich sollte doch mal mit dem Vater reden.
Beim Gespräch mit dem türkischen Vater stellte sich heraus, dass seine 13jährige Tochter ihn unter Tränen von ihrer Angst erzählt habe, beim künftigen Schwimmunterricht von den Jungen der Klasse „angemacht zu werden“. Sie habe im letzten Jahr in den Pausen und auch beim gemeinsamen Turn- und Sportunterricht von anderen Kindern schon einiges diesbezüglich gehört, aber immer dazu geschwiegen, weil sie nicht unmittelbar beteiligt gewesen war.
Ich gab das an den Rektor weiter. Er kannte das Problem nur zu gut, hatte mit seinen Lehrern und Lehrerinnen mehrfach darüber gesprochen und überlegt, was man dagegen unternehmen könne. In diesem Falle schlug er einen nach Geschlechtern getrennten Schwimmunterricht vor, mit einer weiblichen Lehrkraft für die Mädchen, bekam aber vom Schulamt der Stadt eine Absage „aus organisatorischen Gründen“ (inzwischen unterstützen fast alle schulgetzmäßigen Bestimmung in den Ländern einen getrennten Schwimmunterricht und in Bayern und Baden Württemberg ist dies Schulpraxis, Anm. der Redaktion).
Da er großes Verständnis mit den Nöten des Kindes hatte, erlaubte er dem Mädchen, nicht am Schwimmunterricht teilzunehmen, zumal der Vater erzählt hatte, seine Tochter könne bereits Schwimmen, im Urlaub in der Türkei am Meer sei sie ständig im Wasser.
Einige Monate später traf ich den Vater nach dem Freitagsgebet in der Moschee wieder. Erleichtert sagte er mir, es gäbe jetzt getrennten Schwimmunterricht.
Der Schulleiter erzählte mir, als ich ihn daraufhin ansprach, dass im neuen Schuljahr einige Wochen, nachdem der Schwimmunterricht aufgenommen worden sei, eine deutsche Mutter zornentbrannt in sein Büro gestürmt kam und berichtet habe, ihre Tochter sei weinend nach Hause gekommen, weil einige Jungen beim Schwimmunterricht „u. a. unverschämte Bemerkungen über ihren Busen“ gemacht hätten, und alle, auch die Mädchen hätten sie ausgelacht. Die Mutter verlangte, dass sofort etwas unternommen würde, sonst würde sie das ganze an die Presse weitergeben.
Jetzt gab es plötzlich keine „Organisationsprobleme“ beim Schulamt mehr, und nach einer Woche hatte die Schule getrennten Schwimmunterricht.
Das Beispiel zeigt: es geht hier nicht um Religion, Anstand oder Moral, sondern um ein offensichtlich vorhandenes Problem, vor dem die Behörden (und Medien) die Augen schließen, obwohl es inzwischen auch seriöse Untersuchungen zu dieser Besorgnis erregenden Entwicklung gibt. Es ist enorm wichtig ist, die Gefühle unsere Kinder, nicht nur der Mädchen und nicht nur während der Pubertät, ernst zu nehmen und zu schützen, ein unerlässlicher Beitrag für die Erziehung zu Respekt und Achtung vor der Würde anderer Menschen und auch der eigenen. Schulen und Eltern können und müssen dabei zusammen arbeiten. Nichts andere wollen die Muslime auch. Es ist schlimm, darüber zu spotten, noch schlimmer, solche Bemühungen zu bestrafen. Ahmed Kreusch